Aktuelle Meldungen

Schlafstörungen nehmen zu. Wirklich?

Regelmäßig vor der Zeitumstellung werden in der Presse Zahlen zur Zunahme von Schlafstörungen diskutiert.

So auch dieses Jahr: Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse zeigen angeblich, dass der Anteil von Personen mit psychisch bedingten Schlafstörungen von 2014 bis 2024 von 10,3 Prozent auf 17,9 Prozent gestiegen sei – ein Anstieg von 73,5 Prozent. Beachtlich! Vor allem die Generation Z leide zunehmend an Schlafstörungen. Der WDR, die Pharmazeutische Zeitung und andere Medien griffen – wie nicht anders zu erwarten – diese Meldung prompt auf.

Ein Mann, der seinen Kopf mit einem Kissen bedeckt, während er auf dem Bett liegt
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Femizid-Statistik: Von 0 auf 360 – warum präzise Zahlen Frauen besser schützen

Gewalt gegen Frauen ist ein gravierendes gesellschaftliches Problem. Um die richtigen Schutzmaßnahmen zu entwickeln, brauchen wir präzise Statistiken.

Unsere Unstatistik des Monats September befasst sich mit der Femizid-Statistik in Deutschland. Die Zahlen stammen aus dem „Bundeslagebild 2023: Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen“ des Bundeskriminalamts (BKA). Am 5. September 2025 hat der Satiriker Jan Böhmermann im ZDF diesem Bericht fast eine komplette Sendung gewidmet, in der die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser gezeigt wird. Auf einer Pressekonferenz sagte sie: „Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau oder ein Mädchen getötet. Das bedeutet, fast jeden Tag ein Femizid.“

Diese Gleichsetzung ist problematisch. Sie verwischt wichtige Unterschiede und erschwert gezielten Schutz.

Tanzende Frau im schwarzen Kleid vor Graffiti "Feminicidos"
Foto von Charlie Rock-driguez / pexels.com
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Wenn Statistik zum Politikum wird: Wie unbegründete Manipulationsvorwürfe der Demokratie schaden wie leichtfertig in Deutschland mit Vorwürfen

Statistiken sind die Grundlage wichtiger Entscheidungen in Politik und Wirtschaft. Wenn ihnen ohne Beweise Manipulation vorgeworfen wird, gerät mehr ins Wanken als nur Zahlenreihen. Zwei aktuelle Fälle zeigen, wie leichtfertig in Deutschland mit Vorwürfen gegen das Statistische Bundesamt umgegangen wird – und warum Sachlichkeit jetzt wichtiger ist denn je.

Wem nicht gefällt, was Zahlen zeigen, der kann die Zahlen ändern – oder die Statistikerin feuern. So geschehen in den USA: Anfang August hat US-Präsident Trump die Leiterin des Bureau of Labor Statistics (BLS), Erika McEntarfer, entlassen, weil ihm die jüngsten Arbeitsmarktdaten nicht gefielen. Trump sprach gar von „Fälschung“. Seine Begründung: Die Arbeitsmarktzahlen wurden mehrfach revidiert.

Die Opposition warf dem Präsidenten autokratisches Gebaren vor. Viele sehen die Integrität der Statistikbehörde bedroht. Es geht um Neutralität, Methodenkompetenz und politische Unabhängigkeit der amtlichen Statistik.

Wahlwerbung
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Unstatistik des Monats: Relative Risiken, absolute Verwirrung - Warum das Mammographie-Screening nicht hält, was es verspricht

Die „Unstatistik des Monats" Juli ist die systematische Fehlinformation zum Mammographie-Screening. Ein prominentes Beispiel zeigt, wie vermeintliche Erfolge überzeichnet und potenzielle Schäden verschwiegen werden – zum Nachteil informierter Patientenentscheidungen.

Von der ARD bis zur BILD-Zeitung berichteten deutsche Medien über eine neue Studie der Universität Münster zur Wirksamkeit des Mammographie-Screenings. Die Pressemeldungen der Universität, des Bundesamts für Strahlenschutz und des Bundesministeriums für Gesundheit feiern eine beeindruckende Zahl: „Unter den Frauen, die an dem Screening teilnahmen, gingen die Brustkrebs-Todesfälle demnach zwischen 20 und 30 Prozent zurück.“ Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung – ein Träger des Screening-Programms – verkündet unter dem Titel „Mammographie-Screening rettet Leben“ dieselbe Zahl. Und BILD glaubt: „Seit 20 Jahren rettet das Mammografie-Screening in Deutschland nachweislich Leben.“

Graues Holzlabyrinth
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Unstatistik des Monats: Lungenkrebs-Screening rettet Leben

Etwa 90 Prozent aller Lungenkrebs-Fälle sind durch Rauchen bedingt. Lungenkrebs ist einer der tödlichsten Krebsarten: nur etwa 15 Prozent der Männer (20 Prozent der Frauen) überlebt die ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Kann das Leben dieser Menschen durch Früherkennung mittels Niedrigdosis-Computertomographie (kurz: LDCT)-Screening verlängert werden? Eine Flut von Artikeln aus der Medizintechnik-Branche und von medizinischen Fachgesellschaften der Pneumologie und Radiologie argumentierte, dass LDCT für aktive und ehemalige Raucher von den Krankenkassen bezahlt werden soll. „CT-Früherkennung ist eine wirksame, sichere und kosteneffektive Methode,“ versichert eine gemeinsame Pressemitteilung medizinischer Fachgesellschaften unter pneumologie.de. Die Radiologische Allianz berichtete: „In einer umfassenden belgisch-niederländischen Studie (NELSON Studie) konnte das Screening das Risiko an Lungenkrebs zu sterben, um mehr als 20 Prozent senken.

Lung Cancer
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Unstatistik des Monats: Gesunde Finanzen, gesundes Herz?

Die Unstatistik des Monats Juni ist der Referentenentwurf für ein „Gesundes-Herz-Gesetz (GHG)“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).

Laut GHG werden „bis zu 70 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ihrer kardiometabolischen Risikoerkrankungen durch modifizierbare lebensstilbezogene Risikofaktoren wie ungesunde Ernährung, Bewegungsarmut, Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum verursacht“. Dass es sich nicht in allen Fällen um kausal begründbare Zusammenhänge handelt, haben wir in der „Unstatistik des Monats“ bereits oft erklärt.

Der Gesetzesentwurf sieht u. a. neue Beratungsangebote, Screenings (Massenuntersuchungen zur Früherkennung) und die präventive Gabe von Statinen (Medikamenten zur Senkung von Cholesterin) vor. Dass solche Maßnahmen nicht ausschließlich nützen und man Nutzen und Risiken gut gegeneinander abwägen muss, insbesondere wenn es zu Fehldiagnosen kommt, haben wir ebenfalls in mehreren Unstatistiken bereits ausgeführt.

Speziell zu Statinen klärt eine Faktenbox des Harding-Zentrums darüber auf, dass diese Medikamente bei Personen mit erhöhtem Risiko zwar die Anzahl an Herz-Kreislauf-Vorfällen (Schlaganfall, Herzinfarkt) senken konnten. Die Anzahl an tödlichen Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Todesfällen insgesamt konnten sie aber nicht reduzieren. Während die erwünschte Wirkung von Statinen gut belegt ist, gilt das noch nicht für mögliche Schäden. Dazu kommt, dass über die (potenziell negativen) Auswirkungen einer Einnahme von Statinen bei Patienten mit weniger oder nicht erhöhtem Risiko noch weniger bekannt ist.

Herz mit Stethoskop
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Mehr Magenkrebs durch mehr Salz in der Suppe

Salz schmeckt – aber schadet es? Und wieviel davon? Wer viel Salz isst, hat ein um etwa 40 Prozent höheres Risiko für Magenkrebs, meldeten heidelberg24 und die Wiener KLEINE ZEITUNG. „Nachsalzen erhöht das Risiko für Magenkrebs um 41 Prozent“, warnte auch FITBOOK. Heißt das, dass von je 100 Menschen, die gerne nachsalzen, 41 mehr Magenkrebs bekommen?

Nein. Die Medien arbeiteten mit einem Trick, um den kleinen negativen Effekt von Nachsalzen größer aussehen zu lassen als er wirklich ist. Der Trick besteht darin, einen kleinen absoluten Anstieg des Risikos aufzublähen, indem man nur den relativen Anstieg (41 Prozent mehr) berichtet. Wir haben diesen Trick mehrmals erklärt. Beispielsweise berichtete eine Studie, dass pro 50g täglichen Konsums von verarbeitetem Fleisch (wie Wurst) sich das Darmkrebsrisiko von 5 auf 5,9 Prozent erhöht. In den Medien wurde dieser absolute Anstieg von weniger als einem Prozentpunkt als ein Anstieg von 18 Prozent dargestellt, was mehr Aufmerksamkeit erzeugt (siehe Unstatistik 10/2015, „Wursthysterie“). 

Wie hoch ist nun der tatsächliche absolute Anstieg des Risikos, durch Nachsalzen Magenkrebs zu bekommen? Wir haben uns die Studie in der Fachzeitschrift „Gastric Cancer“ genauer angesehen, von der die Medien berichten. An dieser Studie nahmen 471.144 Erwachsene aus Großbritannien teil. Sie wurden gefragt „Salzen Sie Ihr Essen nach?“. 55 Prozent sagten „nie“ oder „selten,“ knapp 5 Prozent sagten „immer“ (und der Rest „manchmal“ oder „meistens“). Nach elf Jahren wurde ermittelt, wer an Magenkrebs erkrankt war. Unter jenen, die nie oder selten nachsalzten, waren 0,123 Prozent an Magenkrebs erkrankt; unter jenen, die immer nachsalzten, waren es 0,231 Prozent. Das sind absolut gesehen 0,108 Prozentpunkte mehr – nicht besonders beeindruckend. Doch bereits die Autoren der Studie haben diesen kleinen Anstieg als relativen Anstieg ausgedrückt, und das klingt dann schon sehr beeindruckend. Relativ gesehen gibt es 88 Prozent mehr Magenkrebspatient/innen (0,108/0,123). 

Bild von Suppe
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Warum mehr potenzielle Organspender nicht zwingend mehr tatsächliche Organspenden bewirken

Vor wenigen Tagen wurde das digitale Organspende-Register eingerichtet. Es soll dazu beitragen, die Zahl der Organtransplantationen zu erhöhen. Die Unstatistik des Monats März ist in diesem Zusammenhang die in der FAZ abgedruckte Aussage des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach, „dass wir langfristig die Zahl der Organspenden nur erhöhen können, indem wir die Widerspruchslösung einführen“. Denn das Problem lässt sich längst nicht so einfach lösen.

Zwei neuere wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Problem nicht durch eine Widerspruchslösung behoben werden kann. Diese erhöht zwar die Anzahl der potenziellen Organspender, nicht aber die Anzahl der tatsächlichen Spender. Eine in der Fachzeitschrift „kidney International“ veröffentlichte Studie britischer Wissenschaftler verglich 17 OECD-Länder mit Widerspruchslösung mit 18 OECD-Ländern mit Zustimmungsregel. Es gab keinen statistisch bedeutsamen Unterschied im Anteil der tatsächlichen Organspender. Die Länder mit Widerspruchslösung hatten aber weniger Spenden von lebenden Personen.

Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung analysierte fünf Länder, die von einer Zustimmungsregel auf eine Widerspruchsregel umstellten (Argentinien, Chile, Schweden, Uruguay und Wales). Der Wechsel führte zwar zu einem Anstieg der potenziellen Spender, nicht aber zu einem Anstieg der tatsächlichen Organspender. 

Bild von organspendeausweisen
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Unstatistik des Monats: Statistisches Phänomen – Signifikante Nebenwirkungen von Corona-Impfungen wohl seltener als in Studie ermittelt

Seit Beginn der Corona-Impfkampagnen wird intensiv über mögliche Nebenwirkungen dieser Impfungen diskutiert. Eine neue, groß angelegte Studie, über die unter anderem von focus.de („99 Millionen Menschen analysiert - Riesen-Studie zeigt die häufigsten Nebenwirkungen der Corona-Impfung“) und in dem Gesundheitsmagazin FITBOOK („Bisher größte Studie zu Corona-Impfungen identifiziert mögliche Folgeerkrankungen“) berichtet wurde, hat nun das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen der Corona-Impfungen genauer untersucht und herausgefunden, dass die Impfung das Risiko für das Auftreten von Autoimmunkrankheiten (das Guillain-Barré-Syndrom, eine seltene Autoimmunkrankheit, bei der das Immunsystem des Menschen die eigenen Nervenzellen zerstört und disseminierte Enzephalomyelitis), Venensinusthrombosen und Herzmuskelentzündungen (Perikarditis, Myokarditis) signifikant erhöht.

Pflegerin mit Impfung
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Unerwarteter Abschied von ggw – ein Nachruf

Acht Jahre waren es letztlich – nur. Die Zusammenarbeit begann mit Gert Wagners und Gerd Gigerenzers gemeinsamer Besetzung des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen am Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Drei Verbrauchergutachten zur Digitalisierung der Gesundheit, Digitaler Souveränität bis hin zu Verbraucherscorings konnte das Harding-Zentrum unterstützen. Aus der gemeinsamen Forschung entstanden Arbeiten zu Algorithmen, die relevante Entscheidungen in unserer Gesellschaft beeinflussen – sei es im Kreditscoring, der Telematik oder in Bonusprogrammen der Krankenkassen. Gert Wagner hatte dabei stets jene im Blick, über die Algorithmen befanden. Er identifizierte kritische Debatten abseits der üblichen Diskussionen, z.B. wie Frauen davon profitieren, wenn Algorithmen geschlechtsabhängig entscheiden. Arbeiten mit seiner Handschrift, zum Citizen Scoring, Impfaufklärung und Pflegerobotik, werden auch jetzt noch abgeschlossen. Sie spiegeln wider, wie themenbreit er aufgestellt war. Er war ganz vorn mit dabei, wenn es um die sich wandelnde Gesellschaft inmitten von Algorithmen, Robotik und KI ging.

Vor allem war er ein enthusiastischer Forscher. Mit dem Smartphone aus administrativen Verpflichtungen heraus kommentierte er mal eben ganze Publikationen („Manuskript_ggw.docx“). Und die Sache stand immer im Vordergrund. Daher unterstützte er das Harding-Zentrum, unterstützte er uns, den Nachwuchs. Er öffnete Türen und schaffte immer gern Gelegenheiten. Im Besonderen zeichneten ihn noch zwei weitere Eigenschaften aus. Erstens, dass er ein Mensch war, der im Erreichen der einflussreichsten Positionen das große Ganze, die Gesellschaft in Deutschland und vor allem den sozialen Ausgleich und die notwendigen Aushandlungen im Blick hatte. Und zweitens, dass er mutig war. Zum Beispiel fuhr er persönlich in die Höhle des Löwen, um die Jury als Empfänger eines Negativpreises argumentativ doch noch für sein Anliegen zu gewinnen.

Nun werden wir mutig sein. In diesem Jahr scheinen die Herausforderungen unserem Zentrum die Zukunft zu verstellen. Doch gerade für eine Zukunft unserer Methoden und Prinzipien lohnt es sich angesichts einer instabilen Welt zu streiten. 

Neben tiefempfundenem Mitgefühl für seine Frau und die Familie und unserer Trauer über sein Fehlen, erfüllt uns tiefe Dankbarkeit dafür, ein Teil seines Lebens gewesen zu sein. Es endete am Sonntag, den 28. Januar 2024.

Gert G. Wagner
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