Unstatistik des Monats Mai 2016: Krebs durch Erdölförderung?

Die Unstatistik des Monats Mai sind die vermeintlich unnatürlichen Häufungen von Krebserkrankungen in der Nähe von Erdöl- oder Erdgasförderstätten sowie Fracking- und Atomanlagen, die seit Jahrzehnten die Menschen beunruhigen. Aktueller Anlass ist der Artikel „Die rätselhaften Krebsfälle von Rodewald“ in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 8. Mai 2016: Von den 2 500 Einwohnern dieses Ortes im Landkreis Nienburg sind im Zeitraum von 2005 bis 2013 20 Personen an Leukämie oder Tumoren des Lymphgewebes erkrankt. Im Durchschnitt seien aber nur 12 Fälle zu erwarten, so der Artikel, deshalb sei diese Häufung nicht durch Zufall zu erklären, also statistisch signifikant. Ein möglicher Auslöser sei das bei der Erdölförderung rund um Rodewald entwichene Benzol.

Erdöl
© Erich Westendarp / pixelio.de

In Wahrheit sind solche Häufungen alles andere als signifikant. Sie sind im Gegenteil normal. Teilt man etwa alle 223 000 im Jahr 2014 durch Krebs verursachten Todesfälle (ein Viertel aller Todesfälle in Deutschland insgesamt) rein zufällig auf die 11 100 Gemeinden des Landes auf, so wird es viele Gemeinden geben, in denen weit mehr als ein Viertel aller Verstorbenen an Krebs gestorben sind, aber auch viele Gemeinden mit einer Krebsmortalität von weit weniger als 25%. Aber diese Abweichungen sind rein zufällig und fast sicher zu erwarten. Hätten etwa alle Gemeinden Deutschlands so wie Rodewald 2 500 Einwohner, läge die Wahrscheinlichkeit, dass in mindestens einer davon in 9 Jahren statt der erwarteten 12 mehr als 19 Leukämie-Erkrankungen auftreten, bei über 99,9%. Selbst die Wahrscheinlichkeit, dass in 10 oder mehr Gemeinden solche Häufungen rein zufällig vorkommen, betrüge noch mehr als 95%.

Natürlich können solche Häufungen auch systematische Ursachen haben, ein Zusammenhang zwischen der überdurchschnittlichen Zahl an Krebserkrankungen und der Erdölförderung in Rodewald ist nicht ausgeschlossen. Aber allein aus den Zahlen 12 und 20 ist dieser niemals zu beweisen. Üblicherweise ergibt das Nachforschen nach systematischen Gründen in solchen Fällen immer das Ergebnis: viel Lärm um nichts.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Walter Krämer, Tel.: (0231) 755-3125