Die Unstatistik des Monats Januar ist die Meldung, eine mediterrane Diät verringere das Risiko an Diabetes Typ 2 zu erkranken um 30 Prozent – ohne Diät und Sport. Über diese Wirkung der Diät, zu der viel Früchte und Gemüse, etwas Fisch und Wein sowie kaum rotes Fleisch oder Süßigkeiten gehören, berichtete neben anderen Medien unter der Überschrift „Olivenöl, Nüsse, Gemüse: Mittelmeer-Diät senkt das Diabetes-Risiko“ auch „Spiegel online“ am 8. Januar 2014.
Was bedeuten 30 Prozent? Die Zahl stammt aus einer Untersuchung von 3.541 älteren Spaniern mit hohem Risiko für Herzkrankheiten (Salas-Salvadó et al., Annals of Internal Medicine 2014). Diese wurden zufällig drei Gruppen zugeordnet: mediterrane Diät mit extra-nativem Olivenöl (1l/Woche), mit Nüssen (210g/Woche), oder einer Kontrollgruppe. Nach etwa vier Jahren erkrankten 8,8 Prozent (101) Teilnehmer in der Kontrollgruppe an Diabetes, verglichen mit 7,4 Prozent (92) in der Nüsse-Gruppe und 6,9 Prozent (80) in der Olivenöl-Gruppe. Der Effekt trat also in der Olivenöl-Gruppe auf, mit einer absoluten Risiko-Reduktion von 1,9 Prozentpunkten (von 8,8 auf 6,9 Prozent). Wie kommt man von 1,9 Prozent auf 30 Prozent?
Hier wurde ein immer wieder erfolgreicher Kommunikations-Trick angewendet. Man stellt den Nutzen als relative Risiko-Reduktion dar: 1,9 Prozent dividiert durch 8,8 Prozent ergibt 21,3 Prozent, und mit ein paar Korrekturen, wie bezüglich Alter und Geschlecht, und gemittelt über Olivenöl und Nüsse, kommt man dann auf 30 Prozent. Relative Risiken sind große Zahlen und beeindruckend, absolute dagegen klein und wenig bemerkenswert.
Was diese Meldung zur „Unstatistik“ macht, ist nicht, dass die „30 Prozent“ falsch sind und mediterrane Kost nicht gesund wäre. Es geht darum, wie diese Information kommuniziert wird. Denn die Zahl bedeutet eben nicht, dass von je 100 Menschen, die mediterrane Kost essen, 30 weniger an Diabetes erkranken. Wie Studien gezeigt haben, führt die Angabe einer solchen relativen Risiko-Reduktion viele Menschen in die Irre, da diese mit absoluten Werten verwechselt werden. Selbst Ärzte verstehen den Unterschied nicht immer. Klartext kann man mit absoluten Risiken sprechen – doch dann sind die Zahlen nicht mehr so eindrucksvoll. Eine Reduktion von 1,9 Prozentpunkten käme wohl kaum in die Schlagzeilen.
Darüber hinaus enthält die Darstellung einen interessanten Nebenaspekt: Die Zahl „30 Prozent“ selbst wurde aus einer signifikanten Reduktion von 40 Prozent in der Olivenöl-Gruppe und einer nicht-signifikanten Reduktion von 18 Prozent in der Nuss-Gruppe gemittelt. Das steht bereits so im Originalartikel und erweckt bei flüchtigem Lesen den Anschein, die Nüsse hätten genauso gut wie das Olivenöl gewirkt. Könnte diese Großzügigkeit damit zusammenhängen, dass einige der Autoren von der Nuss-Industrie finanzielle Zuwendungen erhielten, wie der California Walnut Commission, die auch die Nüsse für die Studie gespendet hat?