Diese Faktenbox soll Ihnen helfen, Nutzen und Nebenwirkung der MMR-Kombinationsimpfung gegen Mumps, Masern und Röteln für Kleinkinder abzuwägen. Der Schwerpunkt dieser Faktenbox liegt auf Röteln. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Faktenbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.
Röteln sind eine ansteckende Infektionskrankheit, die durch das Rötelnvirus verursacht wird. Das Virus wird meistens durch Tröpfchen beim Husten, Niesen und Sprechen übertragen. Seltener kann das Rötelnvirus über verunreinigte Flächen und Gegenstände (bspw. Türklinken, Trinkflaschen) übertragen werden [1, 2].
Außer in der frühen Schwangerschaft, verläuft eine Rötelnerkrankung in jedem Alter meist harmlos. Bei rund der Hälfte der an Röteln Erkrankten, treten keine oder nur ganz leichte Krankheitszeichen auf, andere entwickeln häufig erkältungsähnliche Symptome wie Fieber, Husten, Kopfschmerzen und einen Hautausschlag mit kleinen hellroten, nicht juckenden Flecken.
Ist eine Rötelnerkrankung ausgebrochen, können nur die Symptome gelindert werden, eine Behandlung der Erkrankung selbst ist nicht möglich [1, 2].
Durch die Impfung werden in Deutschland nur noch etwa 20 bis 40 Rötelninfektionen pro Jahr gemeldet, die Hälfte davon bei Erwachsenen [2].
Wenn sich eine Frau in den ersten vier Schwangerschaftsmonaten mit dem Rötelnvirus ansteckt, kommt es bei etwa 70 bis 90 von je 100 ungeborenen Kindern zu schweren Fehlbildungen, zum Beispiel am Innenohr, Herz, Auge oder Gehirn. Man nennt das Rötelnembryopathie. Auch eine Fehlgeburt ist dadurch möglich. Ab dem fünften Schwangerschaftsmonat treten solche Schädigungen des ungeborenen Kindes nur noch selten auf [1, 2].
Gegen Röteln wird im Rahmen einer Dreifach-Kombinationsimpfung zusammen mit Masern und Mumps (MMR) oder im Rahmen einer Vierfach-Kombinationsimpfung zusammen mit Masern, Mumps und Windpocken (MMRV) im Kleinkindalter zweimal geimpft. Nach einer zweifachen Impfung gegen Röteln wird grundsätzlich eine lebenslange Immunität angenommen, sodass der Impfschutz nach jetzigem Stand der Wissenschaft später nicht aufgefrischt werden muss. Ein vollständiger Impfschutz besteht in den meisten Fällen drei bis vier Wochen nach der zweiten Impfdosis [2].
Mit der Impfung möchte man vor allem vermeiden, dass sich ungeschützte schwangere Frauen mit Röteln anstecken. Dennoch nützt die Impfung allen Bevölkerungsgruppen, da das Risiko, sich mit Röteln zu infizieren und daran zu erkranken, deutlich gesenkt wird [1].
Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) empfiehlt, die erste MMR(V)-Impfdosis im Rahmen der Grundimmunisierung zu verabreichen. Diese findet im Alter von 11–14 Monaten statt. Die zweite MMR(V)-Impfdosis kann frühestens vier Wochen nach der ersten Dosis gegeben werden und die Impfung sollte damit im Alter von 15–23 Monaten abgeschlossen sein. Die zweite Impfdosis gilt dabei als Vorsichtsmaßnahme, falls bei der Erstimpfung keine ausreichende Immunität entwickelt wurde [2].
Des Weiteren können alle nach 1970 geborenen Erwachsenen, die in der Kindheit nicht oder nur einmal geimpft wurden oder deren Impfstatus unklar ist, eine einmalige MMR(V)-Kombinationsimpfung in Betracht ziehen [2].
0-2 Monate | 3 Monate - 5 Jahren | 6 Jahren - 14 Jahren | Ab 15 Jahren | |
Frauen | - | X | (X) | - |
Männer | - | X | (X) | - |
Erklärung der Symbole: X = für diese Personen gelten die Zahlen in der Faktenbox; (X) = auf diese Personen lassen sich die Zahlen unter Vorbehalt anwenden (in solchen Fällen ist eine Rücksprache mit ärztlichem Personal empfehlenswert); - = für diese Personen gelten die Zahlen nicht; ? = es ist unbekannt, ob die Zahlen für diese Personen gelten
In der Faktenbox werden beim Nutzen die MMR-Kombinationsimpfung gegen Röteln im Kleinkindalter und die Nichtimpfung modellhaft für Menschen, wenn diese in Kontakt mit dem Rötelnvirus kommen würden, miteinander verglichen. Bei Nebenwirkung werden die Nebenwirkungen der MMR-Kombinationsimpfung mit der Nichtimpfung miteinander verglichen.
Die Tabelle liest sich wie folgt:
Kämen ungeimpfte Menschen in Kontakt mit dem Rötelnvirus, würden wahrscheinlich etwa 500 je 1.000 an Röteln erkranken. Hingegen würden im Durchschnitt 35 (15 bis 55) von je 1.000 der mit einer MMR-Kombinationsimpfung Geimpften nach einem Rötelnviruskontakt an Röteln erkranken [2-4]. Das bedeutet, dass im Durchschnitt 465 von je 1.000 Menschen durch die MMR-Kombinationsimpfung vor einer Rötelnerkrankung bewahrt werden können. Das bedeutet auch, dass 535 von je 1.000 Personen durch die MMR-Kombinationsimpfung nicht vor einer Rötelnerkrankung bewahrt werden können. Zu welchen Personen das Kind gehört, kann man nicht vorher wissen.
Kämen ungeimpfte Schwangere bis zur 12. Schwangerschaftswoche in Kontakt mit dem Rötelnvirus, würde es wahrscheinlich bei etwa 400 (350-450) zu schweren Fehlbildungen des ungeborenen Kindes durch Röteln kommen. Hingegen würde es bei etwa 16 (13-18) Schwangeren mit MMR-Kombinationsimpfung zu schweren Fehlbildungen des ungeborenen Kindes kommen. Das bedeutet, dass bei etwa 384 Schwangeren die Impfung vor schweren Fehlbildungen des ungeborenen Kindes im Zeitraum bis zur 12. Schwangerschaftswoche schützt [3-4].
Durch die MMR-Kombinationsimpfung kann es bei etwa 1 (0 bis 2) von je 1.000 Kleinkindern zu einem Fieberkrampf kommen [5].
Die Zahlen zur Erkrankungshäufigkeit bei einem Kontakt mit dem Rötelnvirus basieren auf Modellrechnungen mit gesammelten Daten aus der klinischen Praxis. Dies schließt ärztliche Informationen und Lehrbuchangaben zu Kontagionsindizes (Anteil der Infizierten unter jenen, die Kontakt mit dem Virus haben) und Manifestationsindizes (Anteil der symptomatisch Erkrankten unter den Infizierten) ein. Die Zahlen auf Basis der klinischen Praxis entsprechen nicht unbedingt dem veränderten Gesundheitszustand der heutigen Bevölkerung und allen angebotenen Impfstoffen in Deutschland [2-4].
Die Zahlen zu den Nebenwirkungen stammen aus verschiedenen Studien mit unterschiedlichen Studiendesigns und -populationen, mit zusammen etwa 2.152.000 Teilnehmenden [5, 6].
Da es sich bei der MMR(V)-Kombinationsimpfung um eine Lebendimpfung mit abgeschwächten Röteln-, Mumps- und Masernviren (und Windpocken) handelt, können ein bis vier Wochen nach der Impfung bei etwa 20 bis 50 von je 1.000 geimpften Kleinkindern leichte, nicht übertragbare „Impf-Masern“ auftreten. Diese gehen mit Fieber und einem schwachen masernähnlichen Ausschlag einher. Auch eine leichte Schwellung der Ohrspeicheldrüse (Schwellung der Wangen) ist gelegentlich möglich. Von Jugendlichen und Erwachsenen (sehr selten bei Kindern) sind Gelenkbeschwerden berichtet worden. Selten wird eine leichte Hodenschwellung beobachtet. Solche Impfreaktionen auf die MMR(V)-Kombinationsimpfung sind in der Regel vorübergehend und klingen ohne weitere Folgen von allein wieder ab [2].
Die Wahrscheinlichkeit eines Kontakts mit dem Rötelnvirus hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen beispielsweise die Anzahl der Geimpften in der Bevölkerung und die Ausbreitungsmöglichkeiten des Rötelnvirus. Kontakte mit dem Erreger werden seltener, wenn eine mehrheitlich geimpfte Bevölkerung das Virus an der Ausbreitung hindert (Herdenimmunität) [1].
Es gibt keinerlei Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der MMR(V)-Kombinationsimpfung und dem Auftreten von entzündlichen Darmerkrankungen, wie einer chronischen Entzündung im Magen-Darm-Trakt (Morbus Crohn) oder einer chronischen Entzündung des Dickdarms (Colitis ulcerosa). Auch gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Autismus (tiefgreifende Entwicklungsstörung) oder einer fortschreitenden, meist tödlich verlaufenden Schädigung des Gehirns (Subakute Sklerosierende Panenzephalitis (SSPE)) durch die Impfung [1-2, 5-8].
Außerdem gibt es keinerlei Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der MMR(V)-Kombinationsimpfung und kognitiven Entwicklungsverzögerungen, dem Entstehen eines Typ-1-Diabetes, Asthma, chronisch entzündlichen Hauterkrankungen (Dermatitis/Ekzem), Heuschnupfen, Blutkrebs (Leukämie), der chronisch-entzündlichen neurologischen Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose, Gangstörungen und bakteriellen oder viralen Infektionen [6].
Die Beweislage wurde von den Autor*innen der eingeschlossenen Übersichtsarbeit und den Erstellenden der Faktenbox ermittelt. Die Beweislage hat insgesamt eine moderate Qualität.
Die Zahlen zum Nutzen der MMR(V)-Kombinationsimpfung sind mit Hilfe von Kontagions- und Manifestationsindizes hochgerechnet worden. Diese wurden nicht mit randomisiert-kontrollierten Studien erforscht. Jedoch wurde die Impfstoffeffektivität über verschiedene Studienpopulationen hinweg mit verschiedenen Studiendesigns bestätigt. Hierdurch ist die Verringerung von Erkrankungssymptomen bei Geimpften gegenüber Nichtgeimpften belegt.
Die Ergebnisse zu Krampfanfällen aufgrund von Fieber und zum Blutplättchenmangel könnten durch weitere Forschung verändert werden (moderate Beweislage).
- August 2021 (Update der Recherche, Update der Evidenz, Update des Begleittextes)
- April 2016 (letztes Update)
Die Informationen für die Faktenbox wurden den folgenden Quellen entnommen:
[1] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2020, 2. November). Röteln. gesundheitsinformation.de. https://www.gesundheitsinformation.de/roeteln.html (11.08.2021).
[2] Robert Koch-Institut (RKI). Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut: Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung. Epid Bull 2020;2:1–22. DOI: 10.25646/6447.3.
[3] Schmitt, C. (2016) Rötelnvirus. In: Suerbaum, S., Burchard, GD., Kaufmann, S., Schulz, T. (eds) Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. DOI: 10.1007/978-3-662-48678-8_57
[4] Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)- Ständige Kommission Leitlinien (2014). AWMF S2k-Leitlinie. Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. AWMF Registernummer 0093/0021. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/093-001l_S2k_Labordiagnostik_schwangerschaftsrelevanter_Virusinfektionen_2014-05-abgelaufen.pdf (11.08.2021).
[5] Feenstra, B., Pasternak, B., Geller, F. et al. Common variants associated with general and MMR vaccine–related febrile seizures. Nat Genet 46, 1274–1282 (2014). https://doi.org/10.1038/ng.3129
[6] Di Pietrantonj, C., Rivetti, A., Marchione, P., Debalini, M. G., & Demicheli, V. (2020). Vaccines for measles, mumps, rubella, and varicella in children. Cochrane Database Syst Rev, (4). Art. No.: CD004407. DOI: 10.1002/14651858.CD004407.pub4.
[7] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (o. D.). Mumps-Impfung bei Kindern. infektionsschutz.de.
https://www.impfen-info.de/impfempfehlungen/fuer-kinder-0-12-jahre/mumps/ (12.08.2021).
[8] Mentzer, D., Meyer, H., Keller-Stanislawski, B. Sicherheit und Verträglichkeit von monovalenten Masern- und kombinierten Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellenimpfstoffen. Bundesgesundheitsbl 2013;56. Abrufbar unter: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/wiss-publikationen-volltext/bundesgesundheitsblatt/2013/2013-sicherheit-impfstoffe-masern-mumps-roeteln.pdf (11.08.2021).
Eine Dokumentation zur Ermittlung der Zahlen in der Faktenbox ist auf Anfrage erhältlich.