Diese Faktenbox soll Ihnen helfen, Nutzen und Nebenwirkung einer kombinierten Auffrischimpfung gegen Keuchhusten im jugendlichen und Erwachsenenalter abzuwägen. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Faktenbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.
Keuchhusten (Pertussis) ist eine hoch ansteckende Infektionskrankheit der oberen Atemwege, die durch das Bakterium Bordetella pertussis verursacht wird. Im Gegensatz zu anderen Krankheiten, gegen die geimpft wird, kann Keuchhusten nicht ausgerottet werden.
Jugendliche und Erwachsene leiden meist unter grippeähnlichen Symptomen wie Schnupfen, Schwächegefühl und teilweise an Fieber sowie unter einem über mehrere Wochen andauernden Husten, mit vor allem starken Hustenanfällen in der Nacht. Die Übertragung auf andere Personen erfolgt durch Tröpfchen, die sich beim Niesen, Sprechen oder Husten ausbreiten. Die Zeit von der Infektion bis zum Auftreten erster Symptome kann ein bis drei Wochen dauern. Auch Geimpfte, die selbst nicht erkranken, können für eine kurze Zeit nach dem Kontakt zu Erkrankten unbemerkt zum Überträger werden. Zudem ist der Impfschutz nur von begrenzter Dauer, sodass eine Infektion trotz Impfung und auch eine Wiederinfektion nach bereits überstandener Erkrankung möglich ist.
Insbesondere Säuglinge und Kleinkinder sind durch Keuchhusten gefährdet, da Infektionen bei ihnen lebensbedrohlich sein können. Gefürchtete sehr seltene Komplikationen, vor allem bei Babys bis zu sechs Monaten, sind Lungenentzündungen, Krampfanfälle, Gehirnschädigungen durch Sauerstoffmangel und im Extremfall Tod durch Erstickung [1].
Gegen Keuchhusten wird im Rahmen einer Sechsfach- Kombinationsimpfung zusammen mit u. a. Tetanus und Diphtherie im Säuglings- und Kleinkindalter viermal geimpft. Diese und einige andere Impfungen bewirken jedoch keine lebenslange Immunität, sondern nur eine vorübergehende. Eine erste Auffrischimpfung gegen Keuchhusten erfolgt im Alter von 5 bis 6 Jahren, eine weitere im Alter zwischen 9 und 16 Jahren. Erwachsenen wird die Auffrischimpfung alle 10 Jahre empfohlen. Eine Auffrischimpfung "erinnert" das Immunsystem an das Antigen und beschleunigt die Immunantwort, wenn es mit dem Virus in Kontakt kommt.
Ein alleiniger Keuchhusten-Impfstoff steht in Deutschland nicht mehr zur Verfügung. Gegebenenfalls kann auch gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis) mitgeimpft werden [1, 2].
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Auffrischimpfung gegen Keuchhusten Personen ab 18 Jahren alle zehn Jahre. Erwachsene können sich mit der nächsten fälligen Tetanus- und Diphtherie-Impfung gegen Keuchhusten impfen lassen [1].
In der Faktenbox werden beim Nutzen die Kombinationsimpfung gegen Keuchhusten und die Nichtimpfung modellhaft für Jugendliche und Erwachsene, die möglicherweise in Kontakt mit dem Keuchhustenbakterium kommen, miteinander verglichen. Bei den Nebenwirkungen werden die Nebenwirkungen der Tetanus- und Diphtherieimpfung mit der kombinierten Auffrischungsimpfung Tetanus-, Diphtherie- und Keuchhustenimpfung miteinander verglichen. Die Zahlen zum Nutzen basieren auf Schätzungen durch statistische Modelle. Die Spannen zeigen die Unsicherheit, die durch vorhandene Impfungen, Alters- und Studienunterschiede sowie durch statistische Schätzungen entsteht.
Die Tabelle liest sich wie folgt:
Kämen 100 Jugendliche und Erwachsene ohne Keuchhusten-Auffrischimpfung in Kontakt mit dem Keuchhustenbakterium, würden wahrscheinlich im Durchschnitt 60 (50 bis 80) erkranken. Hingegen würden im Durchschnitt 8 (3 bis 10) von je 100 der mit einer Keuchhustenauffrischung Geimpften nach Bakterienkontakt an Keuchhusten erkranken.
Bei den Nebenwirkungen der Kombinationsimpfung gegen Tetanus und Diphtherie und den Nebenwirkungen der Dreifachimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten gibt es keine relevanten Unterschiede. Etwa 5 bis 30 von je 100 Erwachsenen mit Tetanus- und Diphtherieimpfung oder Tetanus-, Diphtherie- und Keuchhustenimpfung litten unter erhöhter Temperatur.
Die Zahlen in der Faktenbox, die auf der Grundlage von Modellschätzungen berechnet wurden, wurden auf die nächsten Zehnerstellen gerundet. Zahlen unter 10 wurden nicht gerundet.
Die Zahlen zum Nutzen zur Erkrankungshäufigkeit bei einem Kontakt mit dem Keuchhustenbakterium basieren auf Modellrechnungen zu gesammelten Daten aus der klinischen Praxis. Dies schließt ärztliche Informationen und Lehrbuchangaben zu Kontagionsindizes (Anteil der Infizierten unter jenen, die Kontakt mit dem Bakterium haben) und Manifestationsindizes (Anteil der symptomatisch Erkrankten unter den Infizierten) ein, für die keine aktuellen Patientenstudien verfügbar sind. Die Zahlen auf Basis der klinischen Praxis entsprechen nicht unbedingt dem veränderten Gesundheitszustand der heutigen Bevölkerung und allen angebotenen Impfstoffen in Deutschland [3-8].
Die Daten zu den Nebenwirkungen basieren auf zwei randomisiert-kontrollierten Studien mit insgesamt 1.000 Teilnehmenden [9, 10].
Die Wahrscheinlichkeit eines Bakterienkontaktes hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen beispielsweise die Anzahl der Geimpften in der Bevölkerung und die Ausbreitungsmöglichkeiten des Bakteriums. Kontakte mit dem Erreger werden seltener, wenn eine mehrheitlich geimpfte Bevölkerung das Bakterium an der Ausbreitung hindert (Herdenimmunität).
Es ist davon auszugehen, dass der Immunschutz bei der Auffrischimpfung für Erwachsene mindestens fünf Jahre anhält [3]. Trotz der Auffrischimpfung ist eine Erkrankung nicht ausgeschlossen [11]. Auch eine einstige Keuchhustenerkrankung schützt nicht lebenslang vor einer erneuten Erkrankung [1].
Die Beweislage wurde von den Autoren der eingeschlossenen Übersichtsarbeit und den Erstellenden der Faktenbox ermittelt. Die Beweislage hat insgesamt eine moderate Qualität.
Einige Ergebnisse könnten durch weitere Forschung verändert werden. Die Kontagions- und Manifestationsindizes sind nicht mit randomisiert-kontrollierten Studien erforscht worden, jedoch wurde die Impfstoffeffektivität über verschiedene Studienpopulationen hinweg mit verschiedenen Studiendesigns bestätigt. Hierdurch ist zumindest die Verringerung von Erkrankungssymptomen bei Geimpften gegenüber Nichtgeimpften mit Beweisen belegt. Die Daten zu den Nebenwirkungen basieren auf randomisiert-kontrollierten Studien. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass weitere Forschung die Ergebnisse verändert.
- Juni 2021 (Update der Recherche, keine neue Evidenz; Update des Begleittextes)
- November 2020 (Update der Recherche, keine neue Evidenz; Update des Begleittextes)
- April 2016 (Erstellung)
Die Informationen für die Faktenbox wurden den folgenden Quellen entnommen:
1] Robert Koch-Institut. (2020, 6. April). RKI-Ratgeber - Keuchhusten (Pertussis). rki.de. Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Pertussis.html (25.05.2021).
[2] Paul-Ehrlich-Institut. (2021, 7. Mai). Diphtherie-Impfstoffe. pei.de. Abrufbar unter: https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/diphtherie/diphtherie-node.html (25.05.2021).
[3] McIntyre, P. B., Burgess, M. A., Egan, A., Schuerman, L., & Hoet, B. (2009). Booster vaccination of adults with reduced-antigen-content diphtheria, tetanus and pertussis vaccine: immunogenicity 5 years post-vaccination. Vaccine, 27(7), 1062-1066.
[4] Forster, J., Bialek, R., & Borte, M. (2013). DGPI Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. Georg Thieme Verlag.
[5] Doerr, H. W., & Thraenhart, O. (1988). Impfungen und Impfprobleme bei alten Menschen. In Krebs im Alter. Zur Onkologie und Immunologie im höheren Lebensalter. (pp. 143-147). Steinkopff.
[6] Mader, F. H., & Riedl, B. (2018). Allgemeinmedizin und Praxis: Facharztwissen, Facharztprüfung. Anleitung in Diagnostik, Therapie und Betreuung. Springer-Verlag.
[7] Quast, U. (1998). Nebenwirkungen nach Impfungen ein Überblick. Tropenmed. Parasitol, 20, 157-164.
[8] Von König, C. W., Halperin, S., Riffelmann, M., & Guiso, N. (2002). Pertussis of adults and infants. The Lancet infectious diseases, 2(12), 744-750.
[9] Turnbull, F. M., Heath, T. C., Jalaludin, B. B., Burgess, M. A., & Ramalho, A. C. (2000). A randomized trial of two acellular pertussis vaccines (dTpa and pa) and a licensed diphtheria-tetanus vaccine (Td) in adults. Vaccine, 19(6), 628-636.
[10] Van der Wielen, M., Van Damme, P., Joossens, E., Francois, G., Meurice, F., & Ramalho, A. (2000). A randomised controlled trial with a diphtheria–tetanus–acellular pertussis (dTpa) vaccine in adults. Vaccine, 18(20), 2075-2082.
[11] Ward, J. I., Cherry, J. D., Chang, S. J., Partridge, S., Keitel, W., Edwards, K., ... & APERT Study Group. (2006). Bordetella pertussis infections in vaccinated and unvaccinated adolescents and adults, as assessed in a national prospective randomized Acellular Pertussis Vaccine Trial (APERT). Clinical Infectious Diseases, 43(2), 151-157.
Eine Dokumentation zur Ermittlung der Zahlen in der Faktenbox ist auf Anfrage erhältlich.