Algorithmen als Entscheidungshilfen

So wie Piloten vor dem Start der Maschine ihre Checklisten durchgehen und so zur Sicherheit des Flugverkehrs beitragen, zeigt die Forschung, dass automatisch angewendete Verhaltensregeln auch in der Medizin die Sicherheit erhöhen und zu besseren Behandlungen führen. Das Harding-Zentrum erforscht, wie sich transparente und im medizinischen Alltag gut einsetzbare Algorithmen entwickeln lassen, mit denen sich sowohl Ärzte als auch Patienten wohl fühlen und die medizinische Erfahrung und Intuition ideal ergänzen.

Pilot im Cockpit
© David (CC BY-NC-SA 2.0), via flickr: Pre-flight Checklist

Algorithmen sind, einfach ausgedrückt, Verfahren, die Prozesse regeln. Man begegnet ihnen online in Form einer Kaufempfehlung für ein Produkt, im Chip der Digitalkamera, oder in der Berechnung der schnellsten Route oder dem günstigsten Flug für eine Reise. Mitunter erscheinen diese Algorithmen kompliziert und intransparent, gegebenenfalls sogar fragwürdig, weil man sich von ihnen manipuliert fühlt. Es gibt jedoch auch sehr einfache Algorithmen, die einem für eine komplexe Situation eine Anleitung an die Hand geben.

Einem solchen Algorithmus begegnet man zum Beispiel im Erste-Hilfe-Kurs. Man erlernt eine Abfolge von Hilfemaßnahmen, die es im Ernstfall anzuwenden gilt. Dies ist ein Beispiel für einen Algorithmus, der von Menschen statt Computern angewendet wird. Auch der Algorithmus in modernen Defibrillatoren gibt demjenigen, der Erste Hilfe im Falle eines Herzstillstands leistet, genaue Anweisungen, wie und in welchem Tempo die Wiederbelebung erfolgen soll.

Mögliche Anwendungsgebiete für Algorithmen in der Medizin sind sehr vielfältig: Algorithmen können zum Beispiel relevant sein, wenn sich in einer Notfallambulanz ein Patient mit unklaren Symptomen vorstellt: der behandelnde Arzt muss dann aufgrund weniger Informationen unter Zeitdruck die Entscheidung treffen, ob der Patient nach Hause geschickt, sofort behandelt oder zu einem weiteren Spezialisten weitergeleitet wird. Hier benötigt man eine strukturierte Vorgehensweise, die konsequent angewendet viele Fehlerquellen eliminiert und zuverlässige Ergebnisse erreicht.

So wie Piloten vor dem Start der Maschine ihre Checklisten durchgehen und so zur Sicherheit des Flugverkehrs beitragen, zeigt die Forschung, dass automatisch angewendete Verhaltensregeln auch in der Medizin die Sicherheit erhöhen und zu besseren Behandlungen führen. Ärzten, die in der täglichen Arbeit wie alle Menschen auch mal müde oder unkonzentriert sind, wird so Unterstützung angeboten, welche die Diagnosestellung erleichtert und den Patienten zugute kommt.

Leider wird die Verwendung von Algorithmen im medizinischen Bereich oft mit Skepsis betrachtet. Vor allem Patienten fühlen sich oft verunsichert oder haben weniger Vertrauen in die Kompetenz der Ärzte, wenn diese Entscheidungshilfen zu Rate ziehen. Sie haben die Sorge, dass der Algorithmus in einem Computerprogramm nur eine allgemeine Empfehlung geben kann, die ihren individuellen Fall nicht abbildet. Hier liegt jedoch ein Missverständnis: gerade durch das Zusammenführen aller relevanten Daten zu diesem konkreten Patienten (z.B. Geschlecht, Alter, Symptome, Blutwerte, genetische Informationen, frühere Erkrankungen, eingenommene Medikamente) kann ein Algorithmus eine sehr individualisierte Aussage treffen. Ärzte, die eine solche computergestützte Entscheidungshilfe in Anspruch nehmen, sind also keine schlechteren Ärzte, sondern im Gegenteil bessere.

Das Harding-Zentrum erforscht, wie sich transparente und im medizinischen Alltag gut einsetzbare Algorithmen entwickeln lassen, mit denen sich sowohl Ärzte als auch Patienten wohl fühlen und die medizinische Erfahrung und Intuition ideal ergänzen.

Derartige Algorithmen stellen wir in Einfachen Entscheidungsbäumen (fast-and-frugal trees) dar.