Die Unstatistik des Monats Juli ist die von vielen Medien und Politikern jeglicher Couleur bemühte hohe Jugendarbeitslosigkeit in den von der Staatsschuldenkrise gebeutelten Ländern der EU, wie beispielsweise die Meldung „Griechenland, trauriges Beispiel der Eurozone - 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit“ des Nachrichtensenders n-tv vom 1. Juli.
So erreichten nach Angaben von Eurostat im ersten Quartal dieses Jahres die Arbeitslosenquoten der 15- bis 24-Jährigen in Griechenland 60%, in Spanien 57% und in Italien und Portugal jeweils 42%. Zum Vergleich: in Deutschland lag die Arbeitslosenquote dieser Altersgruppe bei knapp 8%. Die von Eurostat ausgewiesenen Arbeitslosenquoten sind jedoch für die Beschreibung der Arbeitsmarktprobleme von Jugendlichen nur bedingt hilfreich. Denn sie lassen die hohe Anzahl an Jugendlichen außen vor, die sich in der Ausbildung oder im Studium befinden. Dies liegt im Konzept der Arbeitsmarktstatistik begründet, das Eurostat selbst in einer Pressemitteilung vom 12. Juli erläutert.
Unter den Begriff Erwerbspersonen fallen dort alle Personen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Dies sind sowohl Erwerbstätige als auch Erwerbslose. Die von Eurostat ausgewiesene Arbeitslosenquote berechnet sich als der Anteil der Erwerbslosen an den Erwerbspersonen. Erwerbspersonen sind alle Personen ab 15 Jahren, die zu einem Zeitpunkt als Arbeitnehmer, Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger gearbeitet haben. Als erwerbslos wird man bezeichnet, wenn man zu einem Zeitpunkt ohne Arbeit ist, für die Aufnahme einer Arbeit zur Verfügung steht und in den vergangenen vier Wochen aktiv nach Arbeit gesucht hat. Nicht-Erwerbspersonen hingegen sind alle Personen, die zu einem Zeitpunkt dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen oder keine Arbeit suchen. Darunter fallen beispielsweise Hausfrauen und -männer, aber auch alle Personen einer Bevölkerungsgruppe, die sich noch in einer Ausbildung befinden. Die Gruppe der Nicht-Erwerbspersonen wird bei der Berechnung der Arbeitslosenquote nicht berücksichtigt – weshalb die Arbeitslosenquote nur eine unzureichende Aussagekraft für die Arbeitsmarktsituation von Jugendlichen hat.
Hierzu ein Beispiel: Wenn in einem Land mit 100 Jugendlichen alle mit 15 Jahren die Ausbildung abgeschlossen haben und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, aber nur 80 von diesen Jugendlichen einer Arbeit nachgehen, liegt die Arbeitslosen- quote bei 20%. Gehen jedoch 50 der 100 Jugendlichen auf eine weiterführende Schule und sind 20 der verbleibenden 50 Jugendlichen arbeitslos, liegt die Arbeitslosenquote bei 40%, da die Jugendlichen auf der weiterführenden Schule nicht in die Berechnung der Arbeitslosenquote eingehen.
Viele Jugendliche in Krisenländern weichen auf Ausbildung oder Studium aus
Wie kann man nun eine aussagekräftige Statistik der Arbeitsmarktsituation von Jugendlichen erhalten? Zum einen könnte man den Anteil der erwerbslosen Jugend-lichen an allen Jugendlichen berechnen. Führt man dies mit den Daten von Eurostat durch, erhält man für Griechenland eine alternative Arbeitslosenquote von 17% (statt 60%), eine von 21% für Spanien (statt 57%), für Italien 12% und für Portugal 15% (statt jeweils 42%). In Deutschland läge die so berechnete Jugendarbeitslosenquote bei 4%. Darüber hinaus hat sich der Anteil der Nicht-Erwerbspersonen an allen Jugendlichen in allen Krisenländern erhöht. Vom ersten Quartal 2006 bis zum ersten Quartal 2013 stieg dieser Anteil in Griechenland von 66% auf 71%, in Spanien von 53% auf 63%, in Italien von 66% auf 72% und in Portugal von 58% auf 64%. In Deutschland hingegen blieb er im selben Zeitraum konstant bei 50%. Offensichtlich führt die angespannte Arbeitsmarktlage in den Krisenländern dazu, dass besonders viele Jugendliche eine Ausbildung machen oder studieren.
Der Fokus auf die Jugendarbeitslosigkeit und der auf der Basis der „dramatischen“ Statistiken zu beobachtende Aktionismus der Politik ist nicht nur irreführend, sondern kann sogar schädlich sein: Zum ersten wird der Blick auf die wahren Probleme des Arbeitsmarkts in nahezu allen Ländern verschleiert. Denn das Problem ist meist nicht das Alter der Arbeitslosen, sondern deren mangelnde Qualifikationen. Zum zweiten wird durch die gestarteten Programme der Anpassungsdruck für notwendige Arbeitsmarktreformen genommen. Hier können die Krisenländer durchaus von Deutschland lernen, wobei eine Reform der Arbeitsmarktinstitutionen mit Reformen des Sozialversicherungssystems kombiniert werden sollte.