Diese Faktenbox soll Ihnen helfen, Nutzen und Schaden von LDL-Cholesterin senkenden Medikamenten – Statinen – zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen abzuwägen. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Faktenbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.
Mit Hilfe der Vorbeugung (Prävention) soll das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardiovaskulären Erkrankungen, z.B. Verengung der Herzkranzgefäße) verhindert werden. Ziel ist die Verringerung von Faktoren, die die Entstehung einer Herz-Kreislauf-Erkrankung bzw. eines Herz-Kreislauf-Vorfalls (z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) begünstigen. Zu diesen Risikofaktoren zählen: Diabetes mellitus, Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck und ungünstige Cholesterinwerte (erhöhte LDL-Cholesterin-Werte sowie niedrige HDL-Cholesterin-Werte) [1-3].
Cholesterin (oft auch als Blutfett bezeichnet) ist wichtig für die Körperfunktionen. Es wird zur Bildung bestimmter Hormone benötigt und ist ein wesentlicher Baustein der Zellwände. Dabei unterscheidet man zwei Arten von Cholesterin [1, 2]:
- LDL-Cholesterin: „LDL“ steht für Low-Density-Lipoprotein (Lipoprotein niedriger Dichte): Ein hoher LDL-Wert ist mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden, deshalb steht LDL für das „schlechte“ Cholesterin.
- HDL-Cholesterin: „HDL“ steht für High-Density-Lipoprotein (Lipoprotein hoher Dichte): Ein höher HDL-Wert steht für ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deshalb wird das HDL auch als „gutes“ Cholesterin bezeichnet.
Da sich das LDL-Cholesterin durch verschiedene Prozesse an den Gefäßwänden anreichern und so ein Gerinnsel bilden kann, sind ein hoher LDL-Cholesterin- und ein niedriger HDL-Cholesterinspiegel anerkannte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Cholesterinspiegel kann also dabei helfen, das individuelle Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einen Herz-Kreislauf-Vorfall abzuschätzen. Das bedeutet aber nicht, dass alles, was das Cholesterin senken kann oder verspricht, das zu tun, auch wirklich gut für die eigene Gesundheit ist [2].
Verschiedene lebensstilbedingte Faktoren (z.B. falsche bzw. fettreiche Ernährung, Bewegungsmangel) und Krankheiten (z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes) können die Ursachen für einen erhöhten LDL-Cholesterinspiegel sein. Seltener sind erhöhte Cholesterinwerte auf eine genetische Veranlagung zurückzuführen [2].
Statine sind Medikamente, die das LDL-Cholesterin im Blut senken. Sie gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten der Welt. In Deutschland sind mehrere Wirkstoffe aus der Gruppe der Statine zugelassen: Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pitavastatin, Pravastatin, Rosuvastatin und Simvastatin [2, 3].
Statine wirken zum einen auf das Cholesterin im Blut, wodurch Ablagerungen des LDL-Cholesterins reduziert werden sollen. Damit wird einer Gefäßverengung und somit Folgeerkrankungen vorgebeugt. Zum anderen wirken sie schützend auf die Gefäßwände, denn sie können das Risiko von Entzündungen verringern.
Der Einsatz von Statinen bei bereits vorliegender Herz-Kreislauf-Erkrankung (Sekundärprävention) ist anerkannt. Der schützende Effekt von Statinen bei Menschen ohne Vorerkrankungen (Primärprävention) und mit einem nur leicht erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist jedoch begrenzt [2].
Menschen, die durch bestimmte Vorerkrankungen und ihren Lebensstil ein erhöhtes Risiko für einen Herz-Kreislauf-Vorfall aufweisen (z.B. Übergewicht, Bluthochdruck), aber bisher keinen erlitten haben [1, 2], können die Behandlung mit Statinen abwägen. Je höher das Risiko ist, desto eher empfiehlt sich eine Abwägung.
Das Risiko für einen Herz-Kreislauf-Vorfall kann mithilfe von Computerprogrammen durch medizinisches Fachpersonal eingeschätzt werden. Für die Berechnungen werden Informationen benötigt zu [2]:
- Alter: Mit zunehmenden Alter erhöht sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Geschlecht: Männer haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Frauen
- Herzerkrankungen in der Familie: Das Risiko für einen Herz-Kreislauf-Vorfall ist erhöht, wenn nahe männliche Verwandte unter 55 Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten, oder nahe weibliche Verwandte unter 65 Jahren
- Rauchen: Raucher haben ein erhöhtes Risiko für einen Herz-Kreislauf-Vorfall bzw. eine Herz-Kreislauf-Erkrankung
- Bluthochdruck: Ein dauerhaft erhöhter Bluthochdruck erhöht das Risiko für einen Herz-Kreislauf-Vorfall
- Typ-2-Diabetes: Eine erworbene Erkrankung des Stoffwechsels, die dazu führt, dass der Blutzuckerspiegel ansteigt, führt zu einem erhöhten Risiko für einen Herz-Kreislauf-Vorfall
ungünstige Cholesterinwerte: Dazu zählen erhöhte Gesamtcholesterinwerte, erhöhte LDL-Werte sowie niedrige HDL-Werte
In der Primärprävention kann vor der Einnahme von Statinen die Verringerung lebensstilbedingter Risikofaktoren stehen. Dazu zählen beispielsweise die Raucherentwöhnung, Ernährungsumstellung, mehr Bewegung und eine Gewichtsabnahme [1-3].
In der Faktenbox werden die Einnahme von Statinen zur Reduzierung des LDL-Cholesterinwerts im Blut und die Nichteinnahme von Statinen hinsichtlich ihres Nutzens und Schadens miteinander verglichen.
Die Tabelle liest sich wie folgt:
Etwa 14 von je 1.000 Menschen, die keine Statine eingenommen haben, erlitten einen Schlaganfall. Mit der Einnahme von Statinen kam es bei etwa 11 von je 1.000 Menschen zu einem Schlaganfall. Damit konnten durch die Einnahme von Statinen etwa 3 je 1.000 Menschen mehr vor einem Schlaganfall bewahrt werden.
Die Zahlen in der Faktenbox sind gerundet. Sie basieren auf 11 Studien mit etwa 85.500 Teilnehmenden [1].
Die Studien schlossen Teilnehmende mit einem erhöhten Risiko für einen Herz-Kreislauf-Vorfall oder Herz-Kreislauf-Erkrankung ein. Zur Bestimmung des Risikos dienten verschiedene Kriterien. Hierzu zählten unter anderem Fettstoffwechselstörungen, eine frühzeitige Erkrankung der Hirngefäße, Diabetes mellitus und Bluthochdruck [1].
Die Beweislage wurde von den Autoren der eingeschlossenen Übersichtsarbeit ermittelt. Nach deren Bewertung ist die Beweislage insgesamt von niedriger bis hohe Qualität.
Die Ergebnisse zu Muskelschmerzen oder -schwäche (Myalgie) durch die Einnahme von Statinen könnten durch weitere Forschung sehr wahrscheinlich verändert werden (niedrige Beweislage). Die Ergebnisse zur Ausbildung eines Diabetes Mellitus Typ 2, als Folge der Statin-Einnahme, zum Tod durch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung und zu den Sterbefällen insgesamt, könnten durch weitere Forschung verändert werden (moderate Beweislage). Es ist unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse zum Auftreten von Schlaganfällen und Herzinfarkten durch weitere Forschung verändert werden (hohe Beweislage).
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September 2021 (Update der Recherche, Update der Evidenz; Update des Begleittextes)
- Januar 2017 (Erstellung)
Die Informationen für die Faktenbox wurden den folgenden Quellen entnommen:
[1] Singh, B. M., Lamichhane, H. K., Srivatsa, S. S., Adhikari, P., Kshetri, B. J., Khatiwada, S., & Shrestha, D. B. (2020). Role of Statins in the Primary Prevention of Atherosclerotic Cardiovascular Disease and Mortality in the Population with Mean Cholesterol in the Near-Optimal to Borderline High Range: A Systematic Review and Meta-Analysis. Advances in Preventive Medicine, 2020.
[2] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2021, 22. September). Wann sind Statine sinnvoll? gesundheitsinformation.de. https://www.gesundheitsinformation.de/wann-sind-statine-sinnvoll.html (22.09.2021).
[3] Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM) (2017). Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention. S3-Leitlinie. AWMF-Register-Nr. 053-024. DEGAM-Leitlinie Nr. 19. awmf.de
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-024l_S3_Hausaerztliche_Risikoberat_kardiovask_Praevention_2018-09.pdf (27.09.2021).
Eine Dokumentation zur Ermittlung der Zahlen in der Faktenbox ist auf Anfrage erhältlich.