Diese Faktenbox soll Ihnen helfen, Nutzen und Schaden von Röntgen und ähnlichen (bildgebenden) Untersuchungsverfahren bei Rücken- und Kreuzschmerzen abzuwägen. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Faktenbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.
Als Rücken- und Kreuzschmerzen werden Schmerzen im unteren Rücken bezeichnet, die bis in die Gesäßmuskulatur, Beine und Füße ausstrahlen können [1]. Untersuchungen zufolge leiden ca. 74 bis 85 % der deutschen Bevölkerung mindestens einmal im Leben unter Rückenschmerzen [2].
Unterschieden werden spezifische und nicht-spezifische Rücken- und Kreuzschmerzen. Als spezifischer Rücken- und Kreuzschmerz werden Schmerzen bezeichnet, die mechanische Ursachen, wie zum Beispiel Knochenbrüche, Bandscheibenvorfälle, Wirbelkanaleinengungen und so genanntes Wirbelgleiten, haben. Sie können aber auch durch chronische Erkrankungen wie Osteoporose, Krebs oder Organerkrankungen (z.B. Nierensteine) hervorgerufen werden [1, 3, 4].
Häufig ist die Ursache der Rückenschmerzen jedoch unklar. Lässt sich keine eindeutige Ursache für die Beschwerden finden, wird von einem nicht-spezifischen Rücken- und Kreuzschmerz gesprochen. Die Schmerzursachen können in einem solchen Fall Muskelverspannungen oder -steifheit sein, die zum Beispiel durch eine schwache Rumpfmuskulatur, Fehlbelastungen oder -haltungen sowie durch psychosoziale Faktoren wie Stress, Angst oder Depression ausgelöst werden. Von einem akuten Rücken- und Kreuzschmerz wird gesprochen, wenn dieser kürzer als sechs Wochen andauert. Wenn Rücken- und Kreuzschmerzen länger als zwölf Wochen anhalten, werden sie als chronisch bezeichnet [2].
Bei der Bildgebung von Rücken- und Kreuzschmerzen können unterschiedliche Verfahren zum Einsatz kommen, um der Ursache der Schmerzen nachzugehen. Hierzu zählen Röntgen, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie bzw. Kernspintomographie (MRT).
Röntgenbilder können Knochenstrukturen darstellen und werden für die Diagnose von Brüchen, Fehlstellungen oder Fehlbildungen verwendet.
Die CT nutzt eine 3D-Röntgentechnik, die es ermöglicht, neben Knochen und Gelenken auch Bänder, Sehnen und Bandscheiben darzustellen.
Die MRT kann detaillierte Aufnahmen von Weichteilen und Knochenmark machen [3]. Sie wird unter anderem zur Abklärung eines Verdachts auf einen Bandscheibenvorfall herangezogen.
Bei der MRT kommt es im Vergleich zu Röntgen und CT zu keiner Strahlenbelastung, da statt ionisierender Strahlung Magnetfelder und Radiosignale eingesetzt werden [3]. Ionisierende Strahlung, wie sie bei der CT zum Einsatz kommt, kann Veränderungen im Erbgut verursachen, wodurch das Risiko, an Krebs zu erkranken, erhöht werden kann.
Bei akuten und wiederkehrenden Rücken- und Kreuzschmerzen ohne Hinweis auf eine spezifische Schmerzursache wird von bildgebenden Verfahren zur diagnostischen Untersuchung abgeraten, da diese Schmerzen häufig von allein wieder verschwinden [2].
Schränkt der Rücken- und Kreuzschmerz nach vier bis sechs Wochen anhaltend die eigenen Alltagsaktivitäten ein oder werden die Schmerzen bzw. Einschränkungen immer stärker, kann über eine Bildgebung nachgedacht werden [1].
Auch bei einem Verdacht auf einen gefährlichen Verlauf kann eine bildgebende Diagnostik sinnvoll sein: Zum Beispiel bei einem Verdacht auf Krebs, auf Nervenschädigungen, auf einen Bandscheibenvorfall, auf Entzündungen in der Wirbelsäule oder Knochenbrüche. Die MRT wird hierbei aufgrund ihrer Genauigkeit als beste Wahl angesehen [1].
Bei akuten nicht-spezifischen Rücken- und Kreuzschmerzen stehen zunächst die Beratung und Schulung hinsichtlich der Ursachen im Vordergrund, die auf den Lebensstil zurückzuführen sein könnten. Dies beinhaltet Maßnahmen zur Steigerung der körperlichen Aktivitäten im Alltag und zum Selbstmanagement, wie zum Beispiel Stressbewältigung.
Begleitend können eine medikamentöse Behandlung (Schmerzmittel) und eine nicht-medikamentöse Behandlung (z.B. Krankengymnastik, manuelle Therapie und Akupunktur) zur Schmerzlinderung beitragen [1].
In der Faktenbox werden die Durchführung und die Nicht-Durchführung von Röntgen und ähnlichen (bildgebenden) Untersuchungsverfahren bei Erwachsenen mit Rücken- und Kreuzschmerzen hinsichtlich ihres Nutzens und Schadens miteinander verglichen. Die Betroffenen wurden bis zu 24 Monate beobachtet.
Die Tabelle liest sich wie folgt:
Es konnte kein Unterschied zwischen der Durchführung und der Nicht-Durchführung einer bildgebenden Untersuchung bei derallgemeinen Beweglichkeit oder höherer Lebensqualität festgestellt werden. Ohne Bildgebung berichteten 50 von je 100 Patienten weniger Beeinträchtigungen durch den Rücken- und Kreuzschmerz. Mit Bildgebung waren es 43 von je 100 Patienten. Das bedeutet, dass sich ohne bildgebende Untersuchungen 7 von je 100 Patienten weniger beeinträchtigt fühlten.
Die Zahlen in der Faktenbox sind gerundet. Die Angaben zum Nutzen basieren auf 7 Studien mit etwa 2.000 Teilnehmenden [5].
In den eingeschlossenen Studien wurden Röntgen, CT oder MRT zur Bildgebung eingesetzt. Röntgen wurde in vier Studien und damit am häufigsten eingesetzt, gefolgt von MRT (3 Studien) und CT (1 Studie).
Durch die Bildgebung können spezifische Ursachen für die Rücken- und Kreuzschmerzen ausgeschlossen werden, sodass ein nicht-spezifischer Rückenschmerz diagnostiziert wird [6]. Es können aber auch (Zufalls-)Befunde wie Abnutzungserscheinungen erkannt werden, die dann die Wahl der Behandlung beeinflussen können. Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule treten jedoch sowohl bei Personen mit als auch ohne Rückenschmerzen auf [3]. Daher muss eine bei der Bildgebung gefundene Abnutzungserscheinung nicht die Ursache für die vorhandenen Beschwerden sein. Dies kann Patienten verunsichern und möglicherweise ihr Gesundwerden verzögern.
Die Beweislage wurde von den Autoren der eingeschlossenen Übersichtsarbeit ermittelt. Nach deren Bewertung hat die Beweislage, je nach betrachtetem Nutzen oder Schaden, eine niedrige bis moderate Qualität.
Die Ergebnisse zur allgemeinen Verbesserung der Beeinträchtigung und der Beweglichkeit durch den Rücken- oder Kreuzschmerz könnten durch weitere Forschung verändert werden (moderate Beweislage).
Die Ergebnisse zur Verbesserung der Lebensqualität werden sehr wahrscheinlich durch weitere Forschung verändert (niedrige Beweislage).
- Mai 2021 (Update der Recherche, keine neue Evidenz; Update des Begleittextes)
- November 2020 (Update der Recherche, keine neue Evidenz; Update des Begleittextes und der Endpunkte in der Faktenbox)
- September 2017 (Update der Evidenz)
- Februar 2009 (Erstellung)
Die Informationen für die Faktenbox wurden den folgenden Quellen entnommen:
[1] ] Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (2017). Nationale
[2] Raspe, H. (2012). Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 53: Rückenschmerzen. Robert Koch-Institut, Berlin.
[3] Hansen B.B., Hansen P., Carrino J.A., et al. (2016). Imaging in mechanical back pain: Anything new? Best Pract Res Clin Rheumatol2016;30(4):766-85. doi: 10.1016/j.berh.2016.08.008.
[4] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2019, 30. Januar). Rücken- und Kreuzschmerzen. gesundheitsinformation.de. Abrufbar unter: https://www.gesundheitsinformation.de/ruecken-und-kreuzschmerzen.html (23.05.2021).
[5] Karel Y.H., Verkerk K., Endenburg S., et al. (2015). Effect of routine diagnostic imaging for patients with musculoskeletal disorders: A meta-analysis. Eur J Intern Med 2015;26(8):585-95. doi: 10.1016/j.ejim.2015.06.018.
[6] Linder R., Horenkamp-Sonntag D., Engel S., et al. (2016). Überdiagnostik mit Bildgebung bei Rückenschmerzen. Dtsch Med Wochenschr 2016;141(10):e96-e103. doi: 10.1055/s-0042-101467.
Eine Dokumentation zur Ermittlung der Zahlen in der Faktenbox ist auf Anfrage erhältlich.