Faktenbox zur MMR-Kombinationsimpfung gegen Masern im Kleinkindalter

Diese Faktenbox soll Ihnen helfen, Nutzen und Nebenwirkung der MMR-Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln für Kleinkinder abzuwägen. Der Schwerpunkt dieser Faktenbox liegt auf Masern. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Faktenbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.

Was sind Masern?

Masern sind eine sowohl für Kinder als auch Erwachsene hochansteckende Infektionskrankheit, die durch das Masernvirus verursacht wird. Bereits bei einem kurzen Kontakt mit einer infizierten Person kann das Virus durch die Luft und Tröpfchen, die beim Husten, Sprechen und Niesen übertragen werden oder durch verunreinigte Flächen und Gegenstände (bspw. Türklinken, Trinkflaschen), weitergegeben werden [1, 2]. 

In der ersten Erkrankungsphase zeigen sich häufig Symptome wie Fieber, Husten, Schnupfen, Bindehautentzündung und weiße Flecken an der Innenseite der Wangen. In der zweiten Erkrankungsphase zeigt sich der für die Masernerkrankung typische fleckige, hellrote Hautausschlag. Dabei kann das Fieber stark ansteigen und zu einem Fieberkrampf führen. Der Hautausschlag beginnt im Gesicht und hinter den Ohren. Von dort breitet er sich am ganzen Körper aus [1, 2].

Eine Masernerkrankung bleibt meist ohne schwere Folgen, ist jedoch nicht harmlos. Eine Masernerkrankung kann das körpereigene Immunsystem über Monate bis Jahre schwächen. Andere Erreger können dann schlechter abgewehrt werden. Dadurch kann es zu einer Mittelohr-, Kehlkopf- oder Lungenentzündung kommen. Bei etwa 10 von 10.000 masernerkrankten Kindern und Jugendlichen kommt es zu einer Gehirnentzündung, von denen 1 bis 2 sterben und 2 bis 3 einen schweren Folgeschaden erleiden, wie beispielsweise eine geistige Behinderung [1, 2]. 

Bei etwa 1 bis 5 von 10.000 Masernerkrankungen entwickelt sich eine Subakute Sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Diese sehr seltene und schwere Gehirnentzündung kann erst Jahre nach einer durchgemachten Masernerkrankung auftreten und führt zu einer fortschreitenden Erkrankung des Nervensystems, die immer tödlich endet [1].

Eine Masernerkrankung kann selten auch in einer milden Form, mit wenig Beschwerden und kaum sichtbarem Hautausschlag, auftreten. Diese Form (mitigierte Masern) ist dennoch ansteckend und tritt eher bei Neugeborenen und bei Personen auf, die nur einmal geimpft wurden und nicht den vollständigen Impfschutz gegen das Masernvirus besitzen [1].

In Deutschland erkranken vorwiegend nichtgeimpfte 0- bis 5-jährige Kinder, Jugendliche und jüngere Erwachsene [2].

Was ist eine MMR-Kombinationsimpfung gegen Masern?

Gegen Masern wird im Rahmen einer Dreifach-Kombinationsimpfung zusammen mit Mumps und Röteln (MMR) oder im Rahmen einer Vierfach-Kombinationsimpfung zusammen mit Mumps, Röteln und Windpocken (MMRV) im Kleinkindalter zweimal geimpft. Nach einer zweifachen Impfung gegen Masern wird grundsätzlich eine lebenslange Immunität angenommen, sodass der Impfschutz nach jetzigem Stand der Wissenschaft später nicht aufgefrischt werden muss. Ein vollständiger Impfschutz besteht in den meisten Fällen drei bis vier Wochen nach der zweiten Impfdosis [2].

Wer kann eine MMR-Kombinationsimpfung gegen Masern in Betracht ziehen?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) empfiehlt, die erste MMR(V)-Impfdosis im Rahmen der Grundimmunisierung zu verabreichen. Diese findet im Alter von 11–14 Monaten statt. Die zweite MMR(V)-Impfdosis kann frühestens vier Wochen nach der ersten Dosis gegeben werden und die Impfung sollte damit im Alter von 15–23 Monaten abgeschlossen sein. Die zweite Impfdosis gilt dabei als Vorsichtsmaßnahme, falls bei der Erstimpfung keine ausreichende Immunität entwickelt wurde [2].

Des Weiteren können alle nach 1970 geborenen Erwachsenen, die in der Kindheit nicht oder nur einmal geimpft wurden oder deren Impfstatus unklar ist, eine einmalige MMR(V)-Kombinationsimpfung in Betracht ziehen [2].

Faktenbox zur MMR-Kombinationsimpfung im kleinkindalter
Faktenbox MMR-Kombinationsimpfung im Kindesalter – Masern © Harding-Zentrum für Risikokompetenz
Was zeigt die Faktenbox?

In der Faktenbox werden beim Nutzen die MMR-Kombinationsimpfung gegen Masern und die Nichtimpfung modellhaft für Kinder und Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr, wenn diese in Kontakt mit dem Masernvirus kommen würden, miteinander verglichen. Bei Nebenwirkung werden die Nebenwirkungen der MMR-Kombinationsimpfung mit der Nichtimpfung miteinander verglichen.

Die Tabelle liest sich wie folgt:

Kämen ungeimpfte Kinder und Jugendliche bis zu ihrem 15. Lebensjahr in Kontakt mit dem Masernvirus, würden wahrscheinlich etwa 931 je 1.000 an Masern erkranken. Hingegen würden im Durchschnitt 14 (9 bis 19) von je 1.000 der mit einer MMR-Kombinationsimpfung Geimpften nach einem Masernviruskontakt an Masern erkranken [2, 3]. Das bedeutet, dass im Durchschnitt 917 von je 1.000 Kindern und Jugendlichen durch die MMR-Kombinationsimpfung vor einer Masernerkrankung bewahrt werden können. Das bedeutet auch, dass im Durchschnitt 83 von je 1.000 Kindern und Jugendlichen nicht durch die MMR-Kombinationsimpfung vor einer Masernerkrankung bewahrt werden können. Zu welcher Gruppe das Kind gehört, kann man nicht vorher wissen.

Durch die MMR-Kombinationsimpfung kann es bei etwa 1 (0 bis 2) von je 1.000 Kleinkindern zu einem Fieberkrampf kommen [4].

Die Zahlen zur Erkrankungshäufigkeit bei einem Kontakt mit dem Masernvirus basieren auf Modellrechnungen mit gesammelten Daten aus der klinischen Praxis. Dies schließt ärztliche Informationen und Lehrbuchangaben zu Kontagionsindizes (Anteil der Infizierten unter jenen, die Kontakt mit dem Virus haben) und Manifestationsindizes (Anteil der symptomatisch Erkrankten unter den Infizierten) ein. Die Zahlen auf Basis der klinischen Praxis entsprechen nicht unbedingt dem veränderten Gesundheitszustand der heutigen Bevölkerung und allen angebotenen Impfstoffen in Deutschland [1-3].

Die Zahlen zu den Nebenwirkungen stammen aus verschiedenen Studien mit unterschiedlichen Studiendesigns und -populationen, mit zusammen etwa 2.152.000 Teilnehmenden [4, 5].

Für wen gelten die Zahlen in der Faktenbox?
 0-2 Monate3 Monate - 5 Jahren6 Jahren - 14 Jahren Ab 15 Jahren
Frauen-X(X)-
Männer-X(X)-

Erklärung der Symbole: X = für diese Personen gelten die Zahlen in der Faktenbox; (X) = auf diese Personen lassen sich die Zahlen unter Vorbehalt anwenden (in solchen Fällen ist eine Rücksprache mit ärztlichem Personal empfehlenswert); - = für diese Personen gelten die Zahlen nicht; ? = es ist unbekannt, ob die Zahlen für diese Personen gelten

Was ist noch zu beachten?

Da es sich bei der MMR(V)-Kombinationsimpfung um eine Lebendimpfung mit abgeschwächten Mumps-, Masern- und Rötelnviren (und Windpocken) handelt, können ein bis vier Wochen nach der Impfung bei etwa 20 bis 50 von je 1.000 geimpften Kleinkindern leichte, nicht übertragbare „Impf-Masern“ auftreten. Diese gehen mit Fieber und einem schwachen masernähnlichen Ausschlag einher. Auch eine leichte Schwellung der Ohrspeicheldrüse (Schwellung der Wangen) ist gelegentlich möglich. Von Jugendlichen und Erwachsenen (sehr selten bei Kindern) sind Gelenkbeschwerden berichtet worden. Selten wird eine leichte Hodenschwellung beobachtet. Solche Impfreaktionen auf die MMR(V)-Kombinationsimpfung sind in der Regel vorübergehend und klingen ohne weitere Folgen von allein wieder ab [2].

Die Wahrscheinlichkeit eines Kontakts mit dem Mumpsvirus hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen beispielsweise die Anzahl der Geimpften in der Bevölkerung und die Ausbreitungsmöglichkeiten des Mumpsvirus. Kontakte mit dem Erreger werden seltener, wenn eine mehrheitlich geimpfte Bevölkerung das Virus an der Ausbreitung hindert (Herdenimmunität) [1].

Es gibt keinerlei Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der MMR(V)-Kombinationsimpfung und dem Auftreten von entzündlichen Darmerkrankungen, wie einer chronischen Entzündung im Magen-Darm-Trakt (Morbus Crohn) oder einer chronischen Entzündung des Dickdarms (Colitis ulcerosa). Auch gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Autismus (tiefgreifende Entwicklungsstörung) oder einer fortschreitenden, meist tödlich verlaufenden Schädigung des Gehirns (Subakute Sklerosierende Panenzephalitis (SSPE)) durch die Impfung [1-2, 5-8].

Außerdem gibt es keinerlei Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der MMR(V)-Kombinationsimpfung und kognitiven Entwicklungsverzögerungen, dem Entstehen eines Typ-1-Diabetes, Asthma, chronisch entzündlichen Hauterkrankungen (Dermatitis/Ekzem), Heuschnupfen, Blutkrebs (Leukämie), der chronisch-entzündlichen neurologischen Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose, Gangstörungen und bakteriellen oder viralen Infektionen [5].

Liefern die Ergebnisse einen Beweis (Evidenz) für den Nutzen und die Nebenwirkung der MMR-Kombinationsimpfung gegen Masern?

Die Beweislage wurde von den Autor*innen der eingeschlossenen Übersichtsarbeit und den Erstellenden der Faktenbox ermittelt. Die Beweislage hat insgesamt eine moderate Qualität. 

Die Zahlen zum Nutzen der MMR(V)-Kombinationsimpfung sind mit Hilfe von Kontagions- und Manifestationsindizes hochgerechnet worden. Diese wurden nicht mit randomisiert-kontrollierten Studien erforscht. Jedoch wurde die Impfstoffeffektivität über verschiedene Studienpopulationen hinweg mit verschiedenen Studiendesigns bestätigt. Hierdurch ist die Verringerung von Erkrankungssymptomen bei Geimpften gegenüber Nichtgeimpften belegt.

Die Ergebnisse zu Krampfanfällen aufgrund von Fieber und zum Blutplättchenmangel könnten durch weitere Forschung verändert werden (moderate Beweislage).

Versionsverlauf der Faktenbox
  • August 2021 (Update der Recherche, Update der Evidenz, Update des Begleittextes)
  • April 2016 (Erstellung)
Quellen

Die Informationen für die Faktenbox wurden den folgenden Quellen entnommen:

[1] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2020, 2. November). Masern. gesundheitsinformation.de. https://www.gesundheitsinformation.de/masern.html (11.08.2021).

[2] Robert Koch-Institut (RKI). Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut: Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung. Epid Bull 2020;2:1–22. DOI: 10.25646/6447.3.

[3] Doerr, H. W. & Gerlich, W. H. (2010). Medizinische Virologie. Thieme. DOI: 10.1055/b-001-2163. 

[4] Feenstra, B., Pasternak, B., Geller, F. et al. Common variants associated with general and MMR vaccine related febrile seizures. Nat Genet 46, 1274–1282 (2014). DOI: 10.1038/ng.3129.

[5] Di Pietrantonj, C., Rivetti, A., Marchione, P., Debalini, M. G., & Demicheli, V. (2020). Vaccines for measles, mumps, rubella, and varicella in children. Cochrane Database Syst Rev, (4). Art. No.: CD004407. DOI: 10.1002/14651858.CD004407.pub4.

[6] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (o. D.). Masern-Impfung bei Kindern. infektionsschutz.de. 
https://www.impfen-info.de/impfempfehlungen/fuer-kinder-0-12-jahre/masern/ (12.08.2021).

Mentzer, D., Meyer, H., Keller-Stanislawski, B. Sicherheit und Verträglichkeit von monovalenten Masern- und kombinierten Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellenimpfstoffen. Bundesgesundheitsbl. 2013;56. Abrufbar unter: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/wiss-publikationen-volltext/bundesgesundheitsblatt/2013/2013-sicherheit-impfstoffe-masern-mumps-roeteln.pdf (11.08.2021).

 

Eine Dokumentation zur Ermittlung der Zahlen in der Faktenbox ist auf Anfrage erhältlich.