Faktenbox zur Prostatakrebs-Früherkennung durch den PSA-Test

Diese Faktenbox soll Ihnen helfen, Nutzen und Schaden der Prostatakrebs-Früherkennung mithilfe des PSA-Tests abzuwägen. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Faktenbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.

Was ist Prostatakrebs?

Prostatakrebs ist eine bösartige Zellveränderung der Vorsteherdrüse (Prostata) des Mannes. Die Prostata gehört zu den inneren Geschlechtsorganen des Mannes und produziert einen Bestandteil der Samenflüssigkeit. Sie sitzt zwischen Blase und Beckenbodenmuskulatur und umschließt die Harnröhre [2].

Ein unkontrolliertes Zellwachstum bei Krebs kann zu einer Vergrößerung der Prostata und zu einer Beeinträchtigung der Harnröhre führen, wodurch Schwierigkeiten beim Wasserlassen auftreten können (z.B. verstärkter Harndrang oder schwächerer Harnstrahl). Prostatakrebs verursacht jedoch nicht immer Symptome oder Schmerzen. Auch gutartige Veränderungen können zur Beeinträchtigung der unteren Harnwege führen [2].

Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung und die dritthäufigste Krebstodesursache bei Männern in Deutschland im höheren Alter. Neben genetischen Risikofaktoren (z.B. schwarze Hautfarbe und familiäre Vorbelastung), scheinen auch Faktoren, die mit dem Lebensstil zu tun haben (z.B. Übergewicht, Ernährung) einen Einfluss auf die Krankheitsentstehung zu haben [3].

Was ist die Prostatakrebs-Früherkennung durch den PSA-Test?

Früherkennungsuntersuchungen (auch Screening genannt) richten sich an Menschen, die keine Symptome im Hinblick auf die gesuchte Krankheit, in diesem Fall Prostatakrebs, haben.

PSA-Test

Die Ermittlung des PSA-Wertes im Blut mittels PSA-Test soll dazu dienen, Prostatakrebs frühzeitig zu entdecken und zu behandeln [2].

PSA steht für das Prostata-spezifische Antigen, ein Protein, welches in der Prostata produziert und an die Samenflüssigkeit abgegeben wird. Ein Teil des PSA wird jedoch auch in das Blut abgegeben und kann mit einem PSA- Test nachgewiesen werden. Hohe PSA-Werte können ein Zellwachstum in der Prostata bedeuten, aber auch andere Ursachen haben. Ein erhöhter Wert kann beispielsweise durch eine Gewebeveränderung oder Reizung auftreten (z.B. durch eine Harnwegsentzündung oder einen Samenerguss) [2].

Der PSA-Test gehört nicht zum Krebsfrüherkennungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handelt sich um eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), dessen Kosten Männer selbst tragen müssen [2].

Wer kann eine Prostatakrebs-Früherkennung in Betracht ziehen?

Männer ab 45 Jahren und einer geschätzten Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren sollen über die Möglichkeit der Prostatakrebs-Früherkennung mittels PSA-Test informiert werden. Männer mit einem erhöhten Risiko für ein Prostatakarzinom können bereits fünf Jahre früher über die Früherkennung informiert werden [4].

 

Welche alternativen Früherkennungsuntersuchungen gibt es?

In Deutschland wird gegenwärtig als Früherkennungsuntersuchung die digitale rektale Untersuchung (DRU; Tastuntersuchung der Prostata) von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Bei der Tastuntersuchung wird die Prostata über den Enddarm mit einem Finger abgetastet, um ihre Größe, Festigkeit und Oberfläche zu beurteilen. Es gibt jedoch keinen Nachweis, dass Männer, die regelmäßig an der Tastuntersuchung teilnehmen, seltener an Prostatakrebs sterben [2].

Faktenbox Prostatakrebs-Früherkennung durch PSA-Test © Harding-Zentrum für Risikokompetenz
Faktenbox Prostatakrebs-Früherkennung durch PSA-Test © Harding-Zentrum für Risikokompetenz
Was zeigt die Faktenbox?

In der Faktenbox werden die Teilnahme an der Prostatakrebs-Früherkennung und die Nichtteilnahme hinsichtlich ihres Nutzens und Schadens miteinander verglichen.

Die Tabelle liest sich wie folgt:

Etwa 10 von je 1.000 Männern starben mit und 12 von je 1.000 Männern ohne Früherkennung innerhalb von 16 Jahren an Prostatakrebs. Das bedeutet, dass 2 von je 1.000 Personen durch die Früherkennung mittels PSA-Test vor dem Tod durch Prostatakrebs bewahrt werden konnte. Das bedeutet auch, dass 998 von je 1.000 Personen keinen Nutzen durch den PSA-Test. Entweder weil sie gar nicht an Prostatakrebs erkranken oder die frühere Erkennung den Tod durch Prostatakrebs nicht verhindern kann. 

Die Zahlen in der Faktenbox sind gerundet. Die Zahlen zum Nutzen basieren auf vier Studien mit etwa 77.000 Teilnehmern (fortschreitender Krebs), auf vier Studien mit ca. 472.000 Teilnehmern (Gesamtsterblichkeit) und auf elf Studien mit ca. 619.000 Teilnehmern (Prostatakrebs spezifische Sterblichkeit). Die Zahlen zum Schaden basieren auf sieben Studien mit ca. 128.000 Teilnehmern (falsch-positive Ergebnisse binnen drei bis sechs Teilnahmen an PSA-Tests zur Früherkennung) und auf neun Studien mit ca. 274.000 Teilnehmern (Überdiagnose und Überbehandlung) [1].

Für wen gelten die Zahlen in der Faktenbox?
 Alter unter 50 JahrenAlter von 50-75 JahrenAlter ab 76 JahrenRisikogruppen
Frauen                  -                   -              -            -
Männer                  -                   X              -            -

Erklärung der Symbole: X = für diese Personen gelten die Zahlen in der Faktenbox; (X) = auf diese Personen lassen sich die Zahlen unter Vorbehalt anwenden (in solchen Fällen ist eine Rücksprache mit ärztlichem Personal empfehlenswert); - = für diese Personen gelten die Zahlen nicht; ? = es ist unbekannt, ob die Zahlen für diese Personen gelten

Was ist noch zu beachten?

Aufgrund der Tatsache, dass in zwei der größten Studien zahlreiche Männer der Kontrollgruppe ebenfalls einen PSA-Test durchführen ließen (Kontamination), ist unklar, ob ein PSA-Cut-off-Wert von 4 ng/ml und höher tatsächlich das Merkmal ist, das den Unterschied zwischen den Subgruppen grundlegend erklärt [1]. Daher ist nicht auszuschließen, dass der tatsächliche Effekt des Screenings geringfügig größer gewesen sein kann.

Überdiagnosen und Überbehandlungen

Das PSA-Screening kann nicht zwischen nicht fortschreitendem oder langsam wachsendem und fortschreitenden Prostatakrebs unterscheiden. Prostatakrebs ist jedoch häufig entweder nicht fortschreitend oder wächst so langsam, dass er bei vielen Männern zeitlebens keine Beschwerden ausgelöst hätte. Daher ist beim weiteren Vorgehen zwischen dem Zugewinn an Lebensjahren und dem Verlust an Lebensqualität durch das Auftreten möglicher unerwünschter Therapiefolgen (z.B. Harninkontinenz, Risiko für Herzattacken, Suizidgefährdung oder Tod durch Behandlungsschäden) abzuwägen [4, 5, 6].

Maßnahmen zur Verringerung von Screeningschäden

Zur Reduktion von Screeningschäden empfiehlt die aktualisierte S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom-screening [5] ein risikoadaptiertes Vorgehen. Hiernach wird in folgenden Abständen in Abhängigkeit vom Alter und aktuellen PSA-Wert des Patienten die regelmäßige Nachuntersuchung empfohlen: 

PSA unter 1 ng/ml: Intervall alle 4 Jahre

PSA 1 bis 2 ng/ml: Intervall alle 2 Jahre

PSA über 2 ng/ml: Intervall jedes Jahr [4].

Ist ein PSA-Wert erhöht oder grenzwertig, soll dieser zunächst unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren kontrolliert und nur bei einem auffälligen Anstieg oder bei wiederholter Überschreitung des Grenzwertes (PSA-Wert von ≥ 4 ng/ml) eine Gewebeentnahme (Biopsie) empfohlen werden [5]. Durch das kürzlich veränderte Vorgehen in Deutschland (Erstuntersuchung des PSA-Wertes und regelmäßige Überprüfung sowie abwartende Beobachtung bei erhöhtem PSA-Wert), soll verhindert werden, dass die Früherkennung die Zahl der Diagnosen erhöht (Überdiagnostik) und zu unnötigen Therapien führt (Übertherapie).  Gegenwärtig ist jedoch unklar, ob und inwiefern sich dieses Vorgehen auf das Nutzen-Schaden-Verhältnis des Prostatakarzinomscreenings auswirkt [1].

Ergebnisse zur Gesamtsterblichkeit (Gesamtmortalität)

Es kann keine eindeutige Aussage darüber getroffen werden, welchen Einfluss der PSA-Test auf die Gesamtsterblichkeit hat. Es ist somit noch nicht geklärt, ob weniger Menschen sterben, die binnen 16 Jahren wiederholt einen PSA-Test machen lassen. Klinische Studien mit insgesamt 500.000 Teilnehmern waren nicht ausreichend, um einen Unterschied in der Gesamtmortalität nachzuweisen. Die Wahrscheinlichkeit, auf Basis dieser Studien einen Unterschied in der Gesamtsterblichkeit (sofern es ihn gibt) nachzuweisen, ist gering. Die mutmaßlich notwendige Teilnehmerzahl liegt weit über 1 Million. Aus diesem Grund sind die Ergebnisse zur Gesamtmortalität alleinstehend nicht geeignet, den Nutzen des PSA-Screenings zu bewerten.

Liefern die Ergebnisse einen Beweis (Evidenz) für den Nutzen und Schaden der Prostatakrebs-Früherkennung?

Die Beweislage wurde von den Autoren der eingeschlossenen Übersichtsarbeit ermittelt. Nach deren Bewertung hat die Beweislage, je nach betrachtetem Nutzen oder Schaden, eine niedrige bis hohe Qualität. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Ergebnisse zur Gesamtmortalität durch weitere Forschung verändert werden (niedrige Beweislage).

Es ist unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse zu den Endpunkten fortschreitender Prostatakrebs, Tod durch Prostatakrebs, falsch-positive Ergebnisse und Überdiagnosen sowie Überbehandlungen durch weitere Forschung verändert werden (hohe Beweislage).

Quellen

Die Informationen für die Faktenbox wurden den folgenden Quellen entnommen:

[1] IQWiG. Prostatakrebsscreening mittels PSA-Test. Abschlussbericht S19-01. IQWiG-Berichte 2020:905. Abrufbar unter: https://www.iqwig.de/de/projekte- ergebnisse/projekte/nichtmedikamentoese-verfahren/s- projekte/s19-01-prostatakarzinom-screening-mittels-psa- test.11857.html (30.09.2020)

[2] IQWiG. Gesundheitsinformation zum Thema „Örtlich begrenzter Prostatakrebs“ 2020. Abrufbar unter: www.gesundheitsinformation.de/oertlich-begrenzter- prostatakrebs.2066.de.html#frueherkennung (01.10.2020).

[3] Robert Koch-Institut. Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016. Zentrum für Krebsregisterdaten im RKI 2016:97-8, Berlin

Abrufbar unter: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Kr ebsgeschehen/Krebsgeschehen_node.html (06.10.2020).

[4] Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, Deutschen Krebsgesellschaft, Deutschen Krebshilfe. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms 2019: 5.1. Abrufbar unter: https://www.leitlinienprogramm- onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom/ (13.11.2020).

[5] Loeb S, Carter HB, Berndt SI, Ricker W, Schaeffer EM (2011). Complications after prostate biopsy: data from SEER-Medicare. The Journal of Urology, 186(5), 1830-1834. doi: 10.1016/j.juro.2011.06.057.

[6] Gallina A, Suardi N, Montorsi F, Capitanio U, Jeldres C, Saad F, Péloquin F et al. (2008). Mortality at 120 days after prostaticbiopsy: a population‐based study of 22,175 men. International Journal of Cancer, 123(3), 647-652. doi: 10.1002/ijc.23559.

 

Eine Dokumentation zur Ermittlung der Zahlen in der Faktenbox ist auf Anfrage erhältlich.

Versionsverlauf der Faktenbox

November 2020 (Update der Recherche, neue Evidenz; Update des Begleittextes)

November 2017 (Update der Recherche, keine neue Evidenz; Update des Begleittextes)

Februar 2014 (Erstellung)