Diese Faktenbox soll Ihnen helfen, möglichen Nutzen und Schaden der Pilleneinnahme zur Schwangerschaftsverhütung abzuwägen. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Faktenbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.
Ab dem Zeitpunkt ihrer ersten Periode (Monatsblutung) ist ein Mädchen fruchtbar. Das bedeutet, dass sie schwanger werden kann, wenn eine reife Eizelle im Eileiter auf Samenzellen trifft. Jungen ergießenab dem ersten Samenerguss befruchtungsfähige Samenzellen [1].
Mit Hilfe von Verhütungsmitteln wird die Befruchtung oder Einnistung einer Eizelle verhindert und damit eine Schwangerschaft. Gegenwärtig existieren verschiedene hormonelle Verhütungsmittel und solche ohne Hormone. Am meisten verbreitet sind die Pille und das Kondom [1].
Kombinierte orale Verhütungsmittel (Pille) bezeichnen eine Form der hormonellen Verhütung. Kombinierte Pillen enthalten zwei Arten von Hormonen: Östrogene und Gestagene. Beides sind weibliche Geschlechtshormone, die unter anderem Einfluss auf den Zyklus haben. Die hormonelle Zusammensetzung zwischen Östrogenen und Gestagenen in der Pille unterscheidet sich je nach Pillenpräparat und Pillengeneration.
Die Pille wird in einem 21- oder 22-Tage-Rhythmus eingenommen. Danach ist eine 6- bis 7-tägige Einnahmepause vorgesehen, in der es zu einer Monatsblutung kommt. Der Verhütungsschutz besteht weiterhin [1].
Bei regelmäßiger und richtiger Einnahme hemmt die Pille den Eisprung und verhindert, dass im Eierstock ein Ei heranreift. Durch die Hormone wird zusätzlich die Gebärmutterschleimhaut weniger stark aufgebaut, wodurch eine Einnistung des Eis, sollte es doch einmal zum Eisprung kommen, unwahrscheinlicher wird. Zudem wird der Schleimpfropf am Gebärmuttereingang, der die Gebärmutter vor Bakterien schützt, zähflüssiger und undurchlässiger für Spermien [1].
Mädchen ab dem Zeitpunkt der ersten Periode und Frauen im gebärfähigen Alter ohne Risikofaktoren: z.B. Diabetes (dauerhaft erhöhter Blutzucker), Übergewicht (angezeigt durch einen Body-Mass-Index [BMI] von über 25 [Kilogramm durch Körpergröße zum Quadrat, kg/m2]), während einer Schwangerschaft, während des Stillens sowie einige Zeit nach einer Abtreibung.
Wie alle hormonellen Verhütungsmittel ist die Pille verschreibungspflichtig. Bis zum 20. Lebensjahr werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen [1].
Weitere hormonelle Verhütungsmethoden neben der Pille sind z.B. die Minipille (mit nur einem Gestagen), das Verhütungspflaster oder die Hormonspirale. Nicht hormonelle Verhütungsmittel sind z.B. das Kondom oder die Kalendermethode.
Die Entscheidung für eine Verhütungsmethode hängt vor allem davon ab, wie sicher und verträglich sie ist, wie sie angewendet wird und welche persönlichen Bedürfnisse oder Vorlieben vorliegen.
Nicht hormonelle Verhütungsmethoden haben wenige bis keine Nebenwirkungen, gelten jedoch als weniger sicher. Das häufigste nicht hormonelle Verhütungsmittel ist beispielsweise das Kondom. Dieses kann bei richtiger Anwendung auch die Übertragung von sexuell übertragbaren Infektionen (z.B. „Humanes Immundefizienz-Virus“ – HIV, das die Immunschwächekrankheit AIDS auslösen kann) verringern.
In der Faktenbox wird die Einnahme der Pille mit der Einnahme eines Scheinmedikaments (Placebo) oder keiner Pille hinsichtlich des Nutzens und Schadens verglichen.
Die Tabelle liest sich wie folgt:
Auf Grundlage der Ergebnisse der Studie kann davon ausgegangen werden, dass etwa 253 von 10.000 Frauen trotz der Einnahme der Pille innerhalb eines Jahres schwanger werden. Ohne jegliche Verhütung kann davon ausgegangen werden, dass etwa 8.500 von 10.000 Frauen innerhalb eines Jahres schwanger werden.
Die Zahlen in der Faktenbox sind gerundet.
Zahlen zum Nutzen
Die Zahlen zur Schwangerschaftsverhütung bei der Einnahme der Pille basieren auf einer Analyse von sieben Studien zu kombinierten oralen Verhütungsmitteln mit insgesamt etwa 14.000 Teilnehmerinnen. Es handelt sich jeweils um den Pearl-Index bei typischer Anwendung der Pille, der Fehler beim Einnehmen (z.B. Vergessen der Pille) einschließt. Der Pearl-Index gibt den Anteil sexuell aktiver Frauen an, die trotz Verwendung eines Verhütungsmittels innerhalb eines Jahres schwanger werden. Dabei gilt: Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer ist die Verhütungsmethode. Die Angaben zum Pearl-Index ohne Verhütungsmittel basieren auf Übersichtsarbeiten zur Zuverlässigkeit von Verhütungsmitteln [2, 3].
Die Zahlen zum Einfluss der Pille auf die Stärke der Monatsblutung basieren auf acht Studien mit etwa 800 Teilnehmerinnen [4].
Die Aussage zum Einfluss der Pille auf das Körpergewicht basiert auf drei Studien mit etwa 200 Teilnehmerinnen [5].
Zahlen zum Schaden
Die Zahlen zum Einfluss der Pille auf das Risiko eines Blutgerinnsels in den Venen (Thrombose) basieren auf einer 2013 zusammengefassten und 2018 aktualisierten Bewertung aller gemeldeten Studien der Pharmaunternehmen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und andere europäische Behörden. Diese Zusammenfassung wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für den deutschsprachigen Raum aufbereitet [6].
Die Aussage zum Einfluss der Pille auf die Wahrnehmung der Stimmung basiert auf einer Studie mit etwa 200 Teilnehmerinnen [7].
Die Aussage zum Einfluss der Pille auf das Erleben der Sexualität von Frauen basiert auf einer Studie mit 80 Teilnehmerinnen [8].
Zu beachten ist, dass keine Verhütungsmethode zu 100 Prozent sicher ist. Die Sicherheit hängt unter anderem von der korrekten Anwendung und zuverlässigen Einnahme ab. Das Vergessen der Einnahme führt dazu, dass die Sicherheit der Pille abnimmt. Weiterhin kann die Wirksamkeit der Pille durch Übergewicht und durch besondere Umstände wie Erbrechen und Durchfälle beeinflusst werden [1].
Zudem kann die gleichzeitige Einnahme von in Wechselwirkung tretenden Medikamenten wie anfallsverhindernden Medikamenten (Antiepileptika), antibakteriellen Substanzen (Antibiotika), auf die Stimmung wirkenden Präparaten (z.B. Johanniskraut), dem Antibrechmittel (Antiemetikum) Aprepitant und dem Mittel gegen starke Pickelbildung (Akne) Isotretinoin Einfluss auf die Sicherheit der Pille nehmen [9].
Das Risiko für ein Blutgerinnsel in den Venen unterscheidet sich bei den verschiedenen Varianten der Pille, da sie unterschiedliche Gestagene enthalten. Das geringste Risiko weisen Pillen mit den Gestagenen Levonorgestrel oder Norethisteron sowie mit Norgestimat auf (in Pillen der ersten und zweiten Generation). Hier treten etwa 5 bis 7 Thrombosen je 10.000 Frauen innerhalb eines Jahres auf [6].
Bei etwa 8 bis 11 von je 10.000 Frauen, die Pillen mit dem Gestagen Dienogest (in Pillen der dritten und vierten Generation) einnehmen, tritt innerhalb eines Jahres ein Blutgerinnsel auf.
Bei etwa 9 bis 12 von je 10.000 Frauen, die Pillen mit den Gestagenen Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel (in Pillen der dritten und vierten Generation) einnehmen, tritt innerhalb eines Jahres ein Blutgerinnsel auf.
Für Pillen mit den Gestagen-Varianten Chlormadinon oder Nomegestrol (in Pillen der dritten und vierten Generation) ist bisher unbekannt, wie groß das Risiko für die Bildung eines Blutgerinnsels ist. Entsprechende Studien sind geplant oder laufen bereits [6].
Entsteht ein Blutgerinnsel in einer Vene, meist in tiefen Bein- oder Beckenvenen, kann das Gefäß allmählich verstopfen. In diesem Fall sprechen Mediziner von einer Thrombose. Lösen sich Teile des Blutgerinnsels, werden diese als Embolie bezeichnet. Wandert ein Embolus in die Lunge, kann dies zu einem Verschluss der Lungengefäße mit der Folge eines Herz-Kreislauf-Versagens führen, das im schlimmsten Fall tödlich verläuft (Lungenembolie). Typische Anzeichen einer tiefen Beinvenenthrombose sind starke Schmerzen im Bein, Schwellung des Beines, Spannungs- oder Schweregefühl im Bein und bläulich-rote Verfärbung und Glänzen der Haut am Bein. Typische Symptome einer Lungenembolie sind plötzliche Atembeschwerden oder Atemnot, atemabhängiger Brustschmerz, Herzrasen und unerklärlicher Husten (eventuell mit blutigem Auswurf) [10].
Neben dem in der Faktenbox aufgeführten Nutzen und Schaden existieren eine Vielzahl von Studien, die den Langzeiteffekt der Pille auf das Krebsrisiko untersucht haben. Die Ergebnisse beziehen sich auf Frauen im Alter von 20 bis 90 Jahren, die entweder keine Pille oder die Pille zur Schwangerschaftsverhütung einnahmen.
In 8 von 19 Studien wurde gezeigt, dass Frauen, die zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben die Pille einnahmen, ein geringeres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, hatten im Vergleich zu Frauen, die die Pille nie nutzten. 11 von 19 Studien berichteten keine Unterschiede. Eindeutige Zahlen können nicht berichtet werden. Die Ergebnisse zum Einfluss der Pille auf das Darmkrebsrisiko könnten durch weitere Forschung verändert werden (moderate Beweislage) [12].
Auf Basis von drei Studien scheinen Frauen, die die Pille jemals nutzten, ein geringeres Risiko zu haben, an Eierstockkrebs zu erkranken, als Frauen, die diese nie einnahmen. Eindeutige Zahlen können nicht berichtet werden. Das Ergebnis zum Langzeiteffekt auf das Eierstockkrebsrisikoist nicht vertrauenswürdig (sehr niedrige Beweislage) [11].
6 von 23 Studien zeigten, dass Frauen, die zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben die Pille einnahmen, ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs hatten im Vergleich zu Frauen, die niemals die Pille einnahmen. Drei Studien berichteten eine Verringerung des Brustkrebsrisikos. 14 von 23 Studien fanden keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Eindeutige Zahlen können nicht berichtet werden. Bei den Ergebnissen zum Einfluss der Pille auf das Brustkrebsrisikoist es sehr wahrscheinlich, dass diese durch weitere Forschung verändert werden (niedrige Beweislage) [13].
Ein Zusammenhang zwischen dem Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, und der Pilleneinnahme konnte nicht beobachtet werden. Die Studienergebnisse beziehen sich auf 16 Studien mit ca. 15.600 Studienteilnehmerinnen. Bei den Ergebnissen zum Einfluss der Pille auf das Gebärmutterhalskrebsrisikoist es sehr wahrscheinlich, dass diese durch weitere Forschung verändert werden (niedrige Beweislage) [14].
Langzeiteffekt auf das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko
Die Ergebnisse beziehen sich auf Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren, die entweder keine Pille oder die Pille zur Schwangerschaftsverhütung einnahmen.
8 von 24 Studien zeigten, dass Frauen, die zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben die Pille einnahmen, ein erhöhtes Risiko für das Erleiden eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls hatten im Vergleich zuFrauen, die niemals die Pille einnahmen. Dabei stieg das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall mit zunehmender Östrogendosis. 15 von 24 Studien fanden keinen Unterschied, und eine Studie zeigte eine Verringerung des Risikos. Eindeutige Zahlen können nicht berichtet werden. Bei den Ergebnissen zum Einfluss der Pille auf das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikoist es sehr wahrscheinlich, dass diese durch weitere Forschung verändert werden (niedrige Beweislage) [15].
Die Beweislage ist insgesamt von niedriger bis hoher Qualität:
Die Beweislage zur Verhütungssicherheit der Pille ist insgesamt von hoher Qualität. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass weitere Forschung die Ergebnisse verändert.
Die Ergebnisse zum Einfluss der Pille auf die Stärke der Monatsblutung, das Risiko eines Blutgerinnsels (Thrombose) und die Stimmung könnten durch weitere Forschung verändert werden (moderate Beweislage).
Bei den Ergebnissen zum Einfluss der Pille auf das Körpergewicht und das Erleben der Sexualität ist es sehr wahrscheinlich, dass diese durch weitere Forschung verändert werden (niedrige Beweislage).
- März 2019 (letztes Update)
Autor*innen
Christin Ellermann, Christoph Wilhelm, Julia Beckhaus
Die Informationen für die Faktenbox wurden den folgenden Quellen entnommen:
[1] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2017). Verhütung. Abrufbar unter: https://www.gesundheitsinformation.de/verhuetung.2327.de.html
[2] Yamazaki, M., Dwyer, K., Sobhan, M. et al. (2015). Effect of obesity on the effectiveness of hormonal contraceptives: an individual participant data meta-analysis. Contraception, 92(5): 445-452.
[3] Trussell (2011). Contraceptive failure in the United States. Contraception, 83(5): 397-404.
[4] Lethaby, A., Wise, M. R., Weterings, M. A., et al. (2019). Combined hormonal contraceptives for heavy menstrual bleeding. Cochrane Database Syst Rev (2).
[5] Gallo MF, Lopez LM, Grimes DA, et al. (2014). Combination contraceptives: effects on weight. Cochrane Database Syst Rev (1).
[6] BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) (2018). Venöse Thromboembolien und kombinierte hormonale Kontrazeptiva. Abrufbar unter: www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/KOK/_node.html
[7] Lundin C, Danielsson KG, Bixo M, et al. (2017). Combined oral contraceptive use is associated with both improvement and worsening of mood in the different phases of the treatment cycle—A double-blind, placebo-controlled randomized trial. Endocr Connect, 76: 135-43.
[8] Čiaplinskienė, L., Žilaitienė, B., Verkauskienė, R., et al. (2016). The effect of a drospirenone-containing combined oral contraceptive on female sexual function: a prospective randomised study. Eur J Contracept Reprod Health Care, 21(5): 395-400.
[9] Lupp (2016). Dtsch Arztebl International, 113(11), S.18.
[10] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2016). Was sind Blutgerinnsel und wie entstehen sie? Abrufbar unter: www.gesundheitsinformation.de/was-sind-blutgerinnsel-und-wie-entstehen-sie.2238.de.html
[11] Cibula, D., Gompel, A., Mueck, A. O. et al. (2010). Hormonal contraception and risk of cancer. Human reproduction update, 16(6): 631-650.
[12] Luan, N.N., Wu, L., Gong T.T. et al. (2015). Nonlinear reduction in risk for colorectal cancer by oral contraceptive use: a meta-analysis of epidemiological studies. Cancer Causes Control 26: 65–78.
[13] Gierisch, J.M., Coeytaux, R.R., Urrutia R.P. et al. (2013). Oral contraceptive use and risk of breast, cervical, colorectal, and endometrial cancers: a systematic review. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev., 22(11): 1931-43.
[14] Peng, Y., Wang, X., Feng, H. et al. (2017). Is oral contraceptive use associated with an increased risk of cervical cancer? An evidence-based meta-analysis. J Obstet Gynaecol Res. 43(5): 913-922.
[15] Roach, R.E., Helmerhorst, F.M., Lijfering, W.M. et al. (2015). Combined oral contraceptives: the risk of myocardial infarction and ischemic stroke. Cochrane Database Syst Rev (8).
Eine Dokumentation zur Ermittlung der Zahlen in der Faktenbox ist auf Anfrage erhältlich.